Im Kampf um die Kanzlerkandidatur: Armin Laschet (links) und Markus Söder. Foto: AFP/TOBIAS SCHWARZ

Der Konflikt zwischen CSU-Chef Söder und dem CDU-Vorsitzenden Laschet kann die Union im Wahljahr zutiefst erschüttern. Besonders für Laschet ist der Konflikt gefährlich, kommentiert Jan Dörner.

Berlin - Von einem guten persönlichen Verhältnis und freundschaftlicher Abstimmung ist die Rede. Markus Söder hat eine Menge Kreide gefressen, bevor er Armin Laschet eine brutale Kampfansage macht. Der CSU-Vorsitzende Söder will mit aller Macht Kanzlerkandidat der Union werden. Seine Botschaft an den CDU-Chef Laschet lautet: dich unterstützen allenfalls die Funktionäre, die Basis unserer beiden Parteien bevorzugt mich. Die Bevölkerung will mich, nicht dich. Das Land steht vor großen Herausforderungen, die Union steckt in einer tiefen Krise. Du bist dafür der Falsche.

Nur gut fünf Monate vor der Bundestagswahl ist zwischen Söder und Laschet ein Machtkampf um die Kanzlerkandidatur entbrannt, der die Union bis in ihre Grundfesten erschüttern kann. Dennoch soll dieser Konflikt innerhalb von wenigen Tagen ausgeräumt werden – ohne Groll, wie Söder sagt. Es ist schwer vorstellbar, dass dies gelingt. Dabei gehört Geschlossenheit im Wahljahr zu den wichtigsten Voraussetzungen für Erfolg.

Einigkeit ist in der Union nur noch ein Wort

Seit bald 30 Monaten beschäftigt sich die Union mit Personalfragen. Ende Oktober 2018 kündigte die damalige CDU-Chefin Angela Merkel an, den Parteivorsitz abzugeben und sich dann nach der Bundestagswahl 2021 ganz aus der Politik zurückzuziehen. CDU und CSU hätten in aller Ruhe die Zeit nach der Kanzlerin vorbereiten können. Sie hatten die Chance, gemeinsam und frühzeitig einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin von Angela Merkel in Stellung zu bringen, um als Favorit ins Wahljahr 2021 zu gehen. Doch all dies misslang gründlich.

Einigkeit ist in der Union schon lange nur noch ein Wort. Dass Annegret Kramp-Karrenbauer nach Merkel auf dem Parteivorsitz schnell verglühte, lag nicht nur an eigenen Fehlern, sondern auch an fehlender Unterstützung. An Landesverbänden, die ohne Rücksicht auf Verluste ausscherten. An der Missgunst innerparteilicher Konkurrenten. An der Angst vieler Mandats- und Funktionsträger vor dem Abstieg ihrer einst stolzen Volkspartei.

Früher schaute die Union auf den Streit in der SPD herab

War die Union nach eigenem Verständnis über Jahrzehnte die DNA guten Regierens in der Bundesrepublik Deutschland, befindet sie sich nach einer Serie von Wahlklatschen in ihrer tiefsten Krise. Ätzten die Konservativen früher genussvoll über das Chaos bei der SPD, wenn die mal wieder ihr Spitzenpersonal geteert und gefedert hatte, waren die Schwarzen zuletzt keinen Deut besser. Der offene Kampf um die Kanzlerkandidatur steht beispielhaft für die Zerrissenheit der Union. Noch vor zwei Monaten versprach Armin Laschet auch im Namen von Markus Söder: „Wir werden sicher unter vier Augen besprechen, welchen Vorschlag wir unseren beiden Parteien machen.“ Nun heben beide den Finger, anstatt geschlossen Stärke zu demonstrieren.

Söder unterhöhlte Laschets Ansehen

Söder sieht sich im Vorteil gegenüber Laschet, wie sein unmissverständlicher Verweis auf die Stimmung im Land belegt. Indem sich der CSU-Vorsitzende über Monate durch genüssliches Kokettieren mit der Kanzlerkandidatur der Union alle Optionen offenhielt, unterhöhlte er aus sicherer Deckung die Autorität Laschets in Partei und Bevölkerung. Die Umfragen zeugen davon.

Laschet ist schon jetzt der große Verlierer des Konflikts. Lässt er dem CSU-Chef unter dem Druck der Söder-Fans in seiner eigenen Partei den Vortritt, dürften die Tage des Nordrhein-Westfalen als CDU-Vorsitzender gezählt sein. Setzt sich Laschet durch, geht der 60-Jährige als massiv geschwächter Kanzlerkandidat in den Wahlkampf. Wenn die Wahl dann für die Union schief geht, kann Söder immer sagen: Ich habe euch ja gewarnt.

jan.doerner@stzn.de