Arbeitnehmer können mit Überstunden ihr aktives Berufsleben verkürzen. Foto: dpa/Sina Schuldt

Wer über die Möglichkeit für einen vorzeitigen Renteneintritt nachdenkt, für den kann das Modell „Wertguthaben“ sehr interessant sein. Wir erklären, um was es sich dabei handelt – und wie man als Arbeitnehmer dadurch profitiert.

Stuttgart - Wertguthaben auf sogenannten Zeitwertkonten dürfen nicht dazu eingesetzt werden, um die normale Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Sie dürfen nicht mit den flexiblen Arbeitszeitkonten verwechselt werden. Angespart wird ein Wertguthaben für längere Freizeiten, wie eben ein fließender Übergang in die Rente. Aber auch Eltern- und Pflegezeiten sind damit überbrückbar oder Zeiträume mit Teilzeitarbeit.

Wer Sonderzahlungen oder feste Bestandteile seines Gehalts in dieses Wertguthaben einfließen lässt, der bekommt es dann in der Phase ausgezahlt, in der er nicht mehr arbeitet (Freistellungsphase). Das kann auch unmittelbar vor dem Renteneintritt sein. Ein Beispiel: Ein im Juli 1957 geborener Arbeitnehmer, der eine gute Rentenbiografie hat, die Voraussetzungen für eine Rente für besonders langjährig Versicherte erfüllt und deswegen eigentlich mit 63 Jahren Schluss machen könnte, muss aber wegen der Anhebung der Altersgrenze – in diesem Fall um zehn Monate – bis Juni 2021 mit dem Renteneintritt warten. Denn diese Form der Rente kann nicht vorzeitig (mit Abschlägen) ausgezahlt werden.

Modell hat enormen Zulauf

„Hat er jedoch ein Wertguthabenkonto, sei es beim Arbeitgeber oder bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), so könnte er dieses bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen einsetzen und mit dem 63. Geburtstag oder noch früher gehen.

„Das Referat für Wertguthaben bei der DRV berichtet von einem enormen Zulauf in diesem Bereich“, sagt Gundula Sennewald, Rentenexpertin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin. Wichtig: Wertguthaben kann nur auf die Rentenversicherung auf ein separat geführtes Wertguthabenkonto übergehen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist oder absehbar ist, dass es bald endet. Auch muss es ein bestimmtes Volumen erreicht haben. Für das Jahr 2020 muss das Guthaben mindestens 19 110 Euro (im Osten: 18 060 Euro) ausmachen.

Absicherung gegen Insolvenz

Der Gesetzgeber schreibt den Arbeitgebern vor, das Wertguthaben gegen Insolvenz abzusichern. Und es muss bei einem Wechsel des Arbeitgebers übertragbar sein. Häufig regeln Tarifverträge, ob und wie Wertguthaben eingerichtet werden können. Grundlage ist jedoch zwingend eine Wertguthabenvereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Verwaltung der Guthaben bei den Arbeitnehmern wird – im Rahmen der gesetzlichen Leitplanken – quasi von Firma zu Firma unterschiedlich behandelt.

Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Thomas Snelting, spricht ebenfalls davon, dass das Modell Wertguthaben von Beschäftigten sehr gern genutzt wird. Eben, um etwas früher in Rente gehen zu können. Das sollte auf keinen Fall ohne fachlichen Rat angegangen werden, weil sozialversicherungsrechtliche sowie steuerliche Aspekte zu beachten sind. So werden in der Ansparphase zunächst weder Steuern noch Sozialversicherungsabgaben fällig werden, sie sind dann aber bei der Auszahlung zu entrichten. Vorteil: Während der Freistellung besteht weiterhin Sozialversicherungsschutz.

Wie sieht es bei Schwerbehinderten aus?

Ein weiteres Beispiel: Hat ein schwer behinderter Arbeitnehmer, der im Juli 1960 geboren ist, alle Voraussetzungen erfüllt, kann er mit 63 Jahren in Rente gehen – wegen der Anhebung der Altersgrenze aber auch nur mit einer Verschiebung von hier 16 Monaten.

Im November 2024 dürfte er demnach ohne Abschlag Rentner werden. Sein frühestmöglicher Start ins Rentnerdasein wäre mit 61 Jahren und 4 Monaten im November 2021 mit einem Abschlag in Höhe von 10,8 Prozent möglich. Die Zeit vor der Rente lässt sich mit Wertguthaben überbrücken. So hätte der Schwerbehinderte hier den Abschlag womöglich sogar auf null kürzen und trotzdem vorzeitig Schluss machen können.