Die New Yorker Börse ist schon bei Snapchat – nun soll es Snap-Aktien auch an der Börse geben. Foto: imago

Der Anbieter der Smartphone-App Snapchat geht an die Börse. Das soziale Netzwerk für den Versand von Fotos und Videos ist vor allem bei jungen Leuten beliebt. Doch inzwischen haben Konkurrenten wichtige Funktionen kopiert – eine Gefahr für das Geschäftsmodell.

Frankfurt - Sie sind blitzschnell – aber auch flüchtig: Nachrichten und Bilder, die über die Smartphone-App Snapchat versandt werden, verschwinden nach Abruf durch den Empfänger wieder. Vor dem New Yorker Börsengang des Mutterkonzerns Snap am Donnerstag rätseln Anleger weltweit, ob Snapchat selbst Bestand haben wird. Aktuell ist das Netzwerk bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr beliebt: Laut Snap nutzen 158 Millionen Menschen den erst seit 2011 verfügbaren Dienst täglich, die meisten davon sind zwischen 18 und 34 Jahre alt.

Doch außer dieser großen Fangemeinde hat Snap bislang nur wenig vorzuweisen. Die Gesellschaft ist noch weit von der Gewinnzone entfernt, allein im vergangenen Jahr machte sie 515 Millionen Dollar (485 Millionen Euro) Verlust. Rote Zahlen sind für ein so junges Unternehmen nicht ungewöhnlich, auch das Online-Kaufhaus Amazon schrieb bei seinem Börsengang 1997 noch Verluste. Auffällig bei Snap ist allerdings, dass der Umsatz von 405 Millionen Dollar 2016 noch nicht einmal die Vertriebskosten abdeckte.

„Die verbrennen ganz schön viel Geld“, sagt Uwe Walz, Professor für Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte an der Universität Frankfurt. „Wobei ich das nicht per se für ein Problem halte – bei Facebook oder Amazon hat die Strategie, frühzeitig viel Kapital an der Börse einzusammeln, gut funktioniert.“ Bedenklich findet Walz aber, dass Snap ausschließlich stimmrechtslose Aktien auf den Markt bringen will. „Das würde mich als Anleger am meisten zögern lassen – man begibt sich damit schon sehr in die Hände der Unternehmensgründer.“

Neuaktionäre dürfen nicht mitreden

Die beiden Snap-Gründer Robert Murphy und Evan Spiegel werden nach dem Börsengang weiter 89 Prozent der Stimmrechte halten, der Rest liegt bei einer Reihe institutioneller Investoren. Sie könnten damit weiterhin „alle Angelegenheiten kontrollieren“, heißt es in den Unterlagen für den Börsengang. „Die Neuaktionäre dürfen zwar ihr Geld geben, Einfluss sollen sie aber nicht bekommen“, kritisiert Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er rät Anlegern, „über einen Einstieg bei Snapchat erst einmal intensiv nachzudenken“, und erinnert an die schmerzhaften Lehren aus dem Fall Twitter. Obwohl US-Präsident Donald Trump dieser Plattform mit seinen Tweets zu großer Bekanntheit verholfen hat, machte Twitter auch im vergangenen Jahr einen Millionenverlust. Der Aktienkurs war nach dem Börsengang 2013 kurzzeitig auf mehr als 70 Dollar gestiegen, ist mittlerweile aber auf 16 Dollar abgestürzt.

Erfolgschancen junger Unternehmen sind schwer einzuschätzen

Differenzierter als die DSW äußert sich die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Eine Investition in Snap sei „zweifelsohne hoch riskant und gleicht einer Wette“, sagt SdK-Sprecher Daniel Bauer. „Aber das traf auch auf die Börsengänge von Facebook oder Google zu, und beide Investitionen haben sich rentiert. Es gibt jedoch auch viele Gesellschaften, wo es nicht geklappt hat.“

Immerhin attestieren Branchenkenner Snapchat, mit seinen vergänglichen Foto- und Videonachrichten eine Marktlücke entdeckt zu haben: „Das Netzwerk war sehr erfolgreich darin, gerade jüngere Nutzer anzulocken“, sagt Sebastian Thomas, Technologie-Fondsmanager von Allianz Global Investors in San Francisco. Allerdings hat Marktführer Facebook mittlerweile vergleichbare Funktionen bei seinen Töchtern Instagram und Whatsapp integriert. „Das könnte bedeuten, dass Snapchat in eine Nische gedrängt wird“, warnt Thomas. Über Whatsapp tauschen sich laut Facebook mehr als eine Milliarde Menschen aus. Allerdings bezieht diese Zahl jeden ein, der die App wenigstens einmal monatlich nutzt, und ist daher mit den Snapchat-Angaben nicht direkt vergleichbar.

Neben der starken Konkurrenz birgt auch die Konzentration auf junge Nutzer für Snap durchaus Risiken, wie das Unternehmen in den Unterlagen für den Börsengang selbst einräumt: „Diese Altersgruppe ist möglicherweise weniger markentreu und folgt eher Trends.“ Begünstigt werden könnte diese Neigung auch durch die zentralen Eigenschaften von Snapchat, meint Zacharias Sautner, Finanzprofessor an der Frankfurt School of Finance: Da die über das Netzwerk versandten Fotos und Videos in der Regel nicht gespeichert werden, muss der Nutzer bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter auch nichts aufgeben. „Bei Facebook dagegen bauen die Leute eine ganze Geschichte auf, die einen Wechsel teuer macht“, sagt Sauter. „Es gibt erhebliche Zweifel, ob Snapchat ein solcher Erfolg gelingt wie Facebook.“ http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neue-kamera-funktionen-whatsapp-macht-auf-snapchat.ddee3efe-28cd-43a4-967a-9e45ff3541d6.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.snapchat-ein-paar-sekunden-aufmerksamkeit-page1.b67cf902-d2d0-455d-8360-9d02870af0a2.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.whatsapp-instagram-snapchat-und-co-diese-neun-dinge-gab-es-bei-der-us-wahl-2008-noch-nicht.e22a3dbb-59dc-4434-85f3-dc7b5a57f928.html