Verbreitete Unsitte: sich während eines Meetings mit dem Smartphone beschäftigen. Foto: Monkey Business/Adobestock

Smartphones sind aus dem Berufsleben nicht mehr wegzudenken. Doch die Geräte sind auch bei Meetings im Einsatz – was für die Zusammenarbeit nicht gut ist. Was Unternehmen dagegen tun sollten.

Stuttgart - Schnell ein paar Nachrichten lesen oder eine Mail schicken: Das Smartphone ist heutzutage fast überall dabei – auch in beruflichen Meetings. Regelmäßig werden dabei gängige Verhaltensregeln außer Kraft gesetzt und Gesprächspartner ignoriert. Doch wenn nur aufs Handy gestarrt wird, statt sich dem zu widmen, worum es in dem Meeting eigentlich geht, ist das nicht nur grob unhöflich und äußerst unprofessionell: Es kostet auch wertvolle Arbeitszeit, wenn die Teilnehmer eines Meetings andere Dinge tun, statt zuzuhören und mitzuarbeiten.

Diese Unsitte ist weit verbreitet: Laut einer Umfrage von Bitkom Research nutzen vier von zehn berufstätigen Smartphone-Besitzern (41 Prozent) ihr Handy in Dienstbesprechungen zumindest ab und zu, um Privates zu erledigen: Sie schreiben etwa Whatsapp-Nachrichten an Partner oder Kinder, twittern, kaufen auf Online-Shopping-Portalen ein oder lesen Nachrichten.

„Grob unhöflich“

Doch auch wenn sich das Meeting in die Länge zieht und die Versuchung groß ist, sich mit etwas anderem zu beschäftigen: „Während eines Vortrags am Handy herumzuspielen, ist dem Redner gegenüber grob unhöflich“, sagt Agnes Jarosch vom Deutschen Knigge-Rat. „Mitarbeiter sollten ihr Telefon am besten in der Tasche lassen oder es jedenfalls nicht benutzen, solange ein anderer referiert.“ Anwesende hätten immer Vorrang vor Nicht-Anwesenden, bringt es die Benimmexpertin auf den Punkt. „Man sollte immer hinterfragen, welche Botschaft man aussendet, wenn ein Mitmensch einem seine Zeit schenkt und man selbst währenddessen auf dem Smartphone herumtippt.“

Daneben beeinflusst exzessive Handynutzung auch die Stimmung im Raum. Head-down-Syndrom nennen Experten das Phänomen, wenn in einem Raum viele Menschen mit ihren Handys beschäftigt sind und die Augen nur auf die Displays fixiert haben. Die Stimmung in dem Raum sei dadurch negativ, sagt Jarosch. Denn die Körpersprache sende ein klares Signal aus. Die eigene Haltung wirke introvertiert, verstimmt und fast depressiv.

Anwesende haben Vorrang

Grundsätzlich müsse gelten, dass der anwesende Mensch immer Vorrang hat, meint auch Anja Schelte, Managing Partner bei der Personalberatung Delta Management Consultants. „Er hat das Recht auf meine volle Aufmerksamkeit. Nichts ist unhöflicher, als wenn mein Gegenüber während eines Gesprächskontakts ständig auf sein Smartphone schaut. Damit kommuniziere ich nonverbal: ‚Du interessierst mich nicht wirklich’“, so Schelte. „Während eines Gesprächs oder eines Meetings ist das Smartphone daher grundsätzlich tabu.“ Dies müssten die Führungskräfte einfordern und natürlich auch selbst vorleben. „Das gilt im Übrigen auch für Lichtsignale oder Vibrationsalarm: Die stören gleichermaßen, irritieren die Aufmerksamkeit und verunsichern den Sprechenden“, sagt Schelte.

Smartphones ganz aus der beruflichen Sphäre zu verbannen, ist jedoch unrealistisch, meint Schelte. „Natürlich erinnern sich die Älteren unter uns gut daran, dass die Wirtschaft auch ohne Smartphone funktioniert hat.“ Aber realistisch sei das heute nicht mehr. „Zu sagen, wir arbeiten den ganzen Tag ohne Smartphone, ist so, als würde man einem Autofahrer sagen, er soll alle Wege zu Fuß gehen“, so Schelte. „Das wäre zwar für seine Gesundheit und die Umwelt gut, ist aber nicht realistisch.“

Knigge-Regeln sind notwendig

Stattdessen müsse klar sein, wie das Smartphone im Beruf angemessen eingesetzt wird: „Notwendig sind Knigge-Regeln für den Umgang mit dem Smartphone, damit es das bleibt, was es sein sollte – nämlich ein Werkzeug zur Optimierung der Arbeit und kein Instrument zur Zerstörung menschlicher Manieren.“ Da Smartphones aber historisch betrachtet erst seit elf Jahren existieren, „ist es natürlich, dass das zugehörige Regelwerk sich gesellschaftlich erst langsam etabliert“, so die Expertin.

Die wichtigste Grundregel sei es, das Handy während Meetings in der Tasche zu lassen und stumm zu schalten. „Sollte die Regel nicht befolgt werden, muss man auch mal den Mut haben, ein Meeting ergebnislos abzubrechen“, findet Personalberaterin Schelte. „Respekt ist die Grundlage menschlichen Miteinanders und muss ab und an auch einmal deutlich eingefordert werden.“

Handypausen einlegen

Die wenigsten Nachrichten sind so wichtig, dass sie nicht bis zur nächsten Kaffeepause warten könnten. Wenn man aber doch mal auf einen wirklich dringenden Anruf oder eine wichtige Mail wartet und das Smartphone deshalb ausnahmsweise griffbereit haben muss, sollte man das den anderen Leuten am Tisch vor Sitzungsbeginn kurz erklären. Höflich ist, wenn die Beschäftigung mit dem Telefon dann auch nur kurz dauert. „Für Telefonate ist es diskreter, den Raum zu verlassen“, sagt Kniggeexpertin Jarosch.

In Branchen, in denen schnelle Reaktionszeiten auf Nachrichten unerlässlich sind, sollte das bei der Planung von Meetings berücksichtigt werden. So könne es sinnvoll sein, in längeren Meetings oder Seminaren neben Kaffee- auch regelmäßige Handypausen einzuplanen.

Smartphones einsammeln

Fällt es den Anwesenden in einem Meeting allzu schwer fällt, das Smartphone ohne wichtigen Anlass in der Tasche stecken zu lassen, kann man auch die Regel vereinbaren, dass alle Telefone während eines Meetings mit Namensaufklebern versehen und eingesammelt werden. Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hatte sich seinerzeit bei Kabinettssitzungen auf ein solches Vorgehen verständigt. Unter Obamas Nachfolger Donald Trump wäre das allerdings undenkbar – schließlich kann man ohne Smartphone nicht twittern.

Berufliche Mails nach Feierabend

Nutzung Berufstätige nutzen ihr Smartphone nicht nur, um damit während der Arbeitszeit private Angelegenheiten zu regeln. Umgekehrt erledigen viele mit ihrem Handy nach Feierabend auch noch etwas für den Job.

Umfrage In einer Umfrage von Bitkom Research gab jeder Zweite an (48 Prozent), während privater Treffen mit Freunden oder im Kreis der Familie zumindest ab und zu noch berufliche Angelegenheiten zu regeln. Dazu zählt insbesondere das Beantworten beruflicher Mails sowie die telefonische Erreichbarkeit für Kollegen und Vorgesetzte.

Kritik Experten sehen das zunehmend kritisch, weil durch die dauerhafte Erreichbarkeit die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen und es den Mitarbeitern schwerer fällt, nach Feierabend abzuschalten.