Statt der Handvoll Kundenkarten reicht bald eine App Foto: Fotolia

Künftig muss keiner mehr stapelweise Kundenkarten herumtragen. Eine App auf dem Smartphone reicht, birgt aber Gefahren.

Stuttgart - Der Kunde läuft an einem Supermarkt vorbei, das Smartphone vibriert und meldet: „Orangen für 1,99 Euro im Angebot.“ Da Orangen auf der Einkaufslisten-App gespeichert sind, betritt der Kunde das Geschäft und wird dafür mit zwei digitalen Punkten auf seiner Kundenkarte belohnt.

Und weil er auf die Nachricht „War diese Angebots-Empfehlung hilfreich?“ ein „Ja“ auf dem Smartphone-Bildschirm antippt, gibt es gleich noch mal fünf Belohnungs-Punkte. Beim Bezahlen per Handy an der Kasse wird der Wert des gesamten Einkaufs ebenfalls und automatisch der Kundenkarten-App gutgeschrieben. Das bedeutet bei einem der nächsten Einkäufe Rabatte.

Wenn es nach Jens Böcker, Marketing-Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg geht, werden die Deutschen in fünf bis zehn Jahren so einkaufen. „Den dicken Geldbeutel mit all den Kundenkarten und Geld braucht dann keiner mehr.“ Schon heute kann man statt der Plastik-Kundenkarte in vielen Geschäften auch das Smartphone mit einer entsprechenden App ans Lesegerät halten (etwa Stocard-App, Kunden-App). Und in den USA gibt es bereits einen Laden, der den Kunden während des Einkaufs wie im Beispiel beschrieben via App begleitet und belohnt (www.shopkick.com).

Das Smartphone gibt den Einkaufsweg durch den Laden preis

Der Marketing-Experte Jens Böcker schwärmt von den Vorteilen, die der Smartphone-Einkauf bringen wird. „Der Kunde bekommt gezieltere Rabatte und andere Belohnungen, wenn er im Laden statt im Internet einkauft. Und das Unternehmen gewinnt nicht nur die Online-Kunden zurück, es erfährt auch noch viel mehr über ihr Einkaufsverhalten und kann entsprechend darauf reagieren.“

Größe 75 C, viel Spitze, 49,90 Euro, gekauft um 20.55 Uhr in der Filiale in Stuttgart: Schon heute gibt eine Kundin einiges über den Kauf ihres neuen BHs preis, wenn sie beim Bezahlen die Kundenkarte zückt. Verknüpft mit darauf gespeicherten Angaben wie Alter, Nettoeinkommen oder Familienstand kann ein Unternehmen damit umfangreiche Käuferprofile erstellen.

Mit Hilfe des Smartphones wird künftig auch sichtbar, wie lange sich die Kundin für den Einkauf Zeit genommen hat, welche Wege sie durch die Verkaufsständer gegangen ist und welche anderen Marken sie dabei interessiert haben. „So kann das Unternehmen ganz gezielt Werbung verschicken, insbesondere auch an Kunden, die lange nicht mehr im Laden waren“, sagt Sebastian Tillmanns vom Marketing-Institut der Uni Münster.

Verlust der Privatsphäre? Schreckt junge Leute nicht ab

Der Betriebswirt befragt derzeit für eine Studie Verbraucher zu ihrem Umgang mit Kundenkarten. „Mehrere Karten im Geldbeutel finden die meisten unpraktisch, die Möglichkeit mit dem Smartphone wird deshalb begrüßt.“ Und der Datenschutz? Obwohl die Deutschen dabei angeblich so sensibel sind, merkt Tillmanns davon zumindest in seinen Befragungen nichts. „Vor allem für die jüngeren Teilnehmer ist das kein Thema. Sie wissen auch, dass sie bei Facebook viel Privatsphäre preisgeben, aber die Vorteile überwiegen. So ähnlich sehen sie das auch bei Kundenkarten-Apps.“

Verbraucherschützer beobachten jedoch schon bei den konventionellen Kundenkarten, dass sich viele Konsumenten nicht klar darüber sind, was mit ihren Daten passieren kann. „Es lässt sich nicht nachverfolgen, ob die Daten auch an Drittanbieter weiterverkauft werden. Auch kann ich schwer prüfen, ob mein Einkaufsverhalten wirklich anonymisiert oder namentlich zuordenbar erhoben wird“, sagt Karin Thomas-Martin, Telekommunikations-Expertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Sie rät Kunden, genau zu prüfen, womit sie die Kundenkarten-Rabatte bezahlen. „Wenn mein Stammcafé mich nach zehn Besuchen mit einem Freigetränk belohnt, ist das unproblematisch.“ Seien dagegen mehrere Unternehmen in einem Kartensystem zusammengeschlossen (etwa Payback), bekämen sie dadurch sehr weitreichende Einblicke ins Kaufverhalten. „Das gilt auch für Apps, die mehrere Karten ersetzen.“