Lidl führt ab diesem Donnerstag in 250 Filialen in Berlin und Brandenburg eine Smartphone-App als digitale Kundenkarte ein. Foto: AFP

Der Discounter Lidl startet für seine Kunden eine personalisierte Smartphone-App nach dem Vorbild von Amazon. Privatsphäre wird durch diese Entwicklung auch offline ihren Preis bekommen, kommentiert Daniel Gräfe.

Stuttgart - Kostenlose Dienstleistungen, bei denen man mit den persönlichen Daten zahlt: Das kennen die Verbraucher bisher aus der Online-Welt. Dort sind sie es auch gewohnt, dass sie bei der Suche, in den sozialen Netzwerken oder beim Einkauf massenhaft Daten hinterlassen. Viele haben sich damit abgefunden, dass sie als Nutzer gläsern sind und die Unternehmen Profile erstellen, mit denen sie Geschäfte machen. Bequemlichkeit und Erreichbarkeit wiegen schwerer als die eigene Privatsphäre.

Doch auch in der realen Welt zeichnet sich eine Trendwende ab. Der stationäre Handel geht wie auch jetzt Lidl immer stärker auf Datenfang und versucht, den Einkäufer vor Ort zu durchleuchten. Die Händler suchen nach Alternativen zu den Rabattsystemen von Payback, sie wollen in Zukunft mehr wissen als was, wann und wo ein Kunde kauft. Sie wollen ihn zum Kauferlebnis führen – zum Beispiel den Kunden über die Smartphone-App orten und ihn dann mit individuellen Angeboten zur nächstgelegenen Filiale lotsen. Die Offline-Welt ahmt die Online-Welt nach – Amazon lässt grüßen.

Deutschland gilt bisher auch deshalb als Bargeldland, weil der Käufer noch das Gefühl haben kann, dass ihn beim Einkauf niemand beobachtet – außer die Ladenkamera und an der Kasse die Kassiererin. Wer nicht will, muss keine digitalen Spuren hinterlassen. Schritt für Schritt wird sich das ändern. Das kontaktlose Zahlen mit Karte hat bereits stark zugenommen. Erhalten digitale Kundenkarten und Smartphone-Apps weitere Funktionen, werden auch sie Anreiz sein, mehr von sich preiszugeben: weil es bequemer und günstiger ist. Am Ende wird derjenige, der seine Daten nicht teilen möchte, draufzahlen. Privatsphäre bekommt auch offline ihren Preis.

daniel.graefe@stzn.de