Geisterblasser Lurch: Der Grottenolm lebt nur in den Karsthöhlen der östlichen Adria. Foto: Iztok Media

Sloweniens Nationaltier ist glitschig, blind – und leichenblass. Erstmals hat in der Tropfsteinhöhle von Postojna eine Kamera das Schlüpfen der rätselhaften Grottenolme aus ihren Eiern erfasst.

Postojna - Drollige Plüsch-Olme buhlen im Souvenirladen vor der Tropfsteinhöhle von Postojna um Käufer und Kunden. Doch für die wirkliche Begegnung mit Sloweniens glitschigem Nationaltier müssen neugierige Besucher in die Tiefe der bizarren Höhlenwelt rattern. Die Gleise der Höhlenbahn winden sich um gigantische Stalagmiten und unter imposanten Bögen schlanker Stalakmiten hindurch. Hernach geht es zu Fuß weiter, vorbei an atemberaubenden Gesteinsformationen, zum eigentlichen Herrn der verwunschenen Unterwelt. Proteus anguinus, der hier in einem Aquarium zur Schau gestellt wird.

Der Grottenolm sei ein „charismatisches Tier“, das in Slowenien zwar jeder kenne, das aber voller Geheimnisse sei, preist der Höhlenbiologe Primoz Gnezda seinen leichenblassen Lieblingslurch hinter dem Aquariumsglas: „Jeder Slowene kommt mindestens drei Mal im Leben zum Olm nach Postojna: Erst als Kind, dann mit den eigenen Kindern und schließlich mit den Enkeln.“

Grottenolme werden hundert Jahre alt

Die karge Beleuchtung taucht die schimmernden Tropfsteinsäulen in den hohen Hallen in ein Schimmern. Nur schwaches Licht erhellt auch die aalähnlichen Amphibien mit den roten Kiemenbüscheln, die weitgehend regungslos auf Besucher und ihre monatliche Fütterung harren. „Proteus“ lautet der wissenschaftliche Name des rätselhaften Schwanzlurchs, der nur in den Karsthöhlen der östlichen Adria zu Hause ist: Von Norditalien bis Montenegro ist der Grottenolm verbreitet. Von Hochwasser aus den Höhlen auf die Weiden gespült wurde der Lurch wegen seiner fahlen Haut von den Bauern früher als „Menschenfischlein“ bezeichnet: Der Name hat sich in Slowenien bis heute gehalten.

Fast unhörbar gurgelt in der Tiefe ein unterirdischer Wasserfall, während Biologe Gnezda über das Wesen seiner Schützlinge doziert. Mehr als 100 Jahre alt könnten die bis zu 30 Zentimeter langen Olme werden: „Sie tun nicht viel – und das ist vielleicht das Geheimnis ihres langen Lebens.“ Sinke der Höhlenwasserpegel und hänge der Olm in einer Wassermulde fest, könnte er sogar bis zu zehn Jahre ohne Futter auskommen. Eher gemächlich lässt es der Babydrache auch bei seiner Vermehrung angehen. Erst mit 15 Jahre ist der Proteus fortpflanzungsfähig. Nur alle sechs bis sieben Jahre legt das Weibchen mehrere Dutzend Eier.

„Menschenfischlein“ nennen die Bauern das blasse Tier

In seiner natürlichen Umgebung, den unterirdischen Gewässern im ausgehöhlten Karstgestein, konnte die Vermehrung des lichtscheuen Höhlenbewohners allerdings noch nie beobachtet werden. Die Nachricht von 64 gelegten Eiern im Höhlenaquarium sollte darum im Frühjahr die Grottenolm-Enthusiasten in aller Welt elektrisieren. Im Sommer hat die Labor-Kamera in Postojna nun erstmals das Schlüpfen von insgesamt 22 Jung-Olmen erfasst und die lichtscheuen „Menschenfischlein“ erneut in das Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerückt.

Der Zutritt in die Olm-Kinderstube ist selbst Journalisten streng untersagt. Doch auf einem Schirm können Neugierige das Labor-Gedeihen der mittlerweile 3,7 Zentimeter großen Jungtiere live verfolgen. Täglich füttere er seine „Babys“ mit je einem Weißwurm, berichtet Olm-Sitter Gnezda. Das für ihre Bassins verwendete Höhlenwasser müsse er ständig überprüfen: „Die Umweltverschmutzung und die Überdüngung der Felder sind für den Grottenolm die stärkste Bedrohung.“

Der blinde Olm reagiert empfindlich auf Licht

Die Zeiten, da Jugoslawiens einstiger Staatslenker Josip Broz Tito seine Staatsgäste mit den nun streng geschützten Olmen beschenkte, sind längst vorbei: Selbst der Höhle in Postojna ist nur noch das Halten von zehn Tieren in – artgerechten – Aquarien gestattet. Ob und wie schnell der Bestand des Grottenolms zurückgehe, sei wegen dessen unzugänglichen Lebensraums kaum nachzuhalten, sagt Gnezda. Derzeit laufe eine Langzeituntersuchung, um mit Hilfe von Stichproben zumindest die Proteus-Population in Postojna abschätzen zu können.

Auch sonst sind viele Geheimnisse um den Olm noch nicht gelüftet. Sicher sei, dass der Proteus keine Vorstufe, sondern eine Rückentwicklung von während der Eiszeit in die Höhlen geflüchteten Salamandern sei, sagt Gnezda. Der Proteus ist ein dauerhaft in seiner Larvenform lebender Schwanzlurch. Wegen der Lebensweise im Wasser ist für ihn die Metamorphose zum erwachsenen Tier überflüssig geworden. Die Augen haben sich zurück entwickelt und sind von einer Haut überzogen. Dafür hat sich der Geruchs- und Geschmackssinn erhöht.

Über die Pigmentzellen der Haut reagiert der blinde Olm empfindlich auf Licht. Ein Albino ist er aber nicht: „Wenn er länger dem Licht ausgesetzt ist, ergraut die Haut.“ Dass sich manche vor dem Wappentier von Postojna ekeln, versteht Gnezda nicht: „Ich mag den Grottenolm wirklich. Vielleicht sollte der Mensch, genauso wie er, es einfach ruhiger angehen lassen.“