Eine Delikatesse auf der Messe: hauchdünn geschnittener Schinken. Besucher haben uns verraten, wonach sie auf der Messe Slow Food suchen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In zehn Jahren ist die Zahl der Aussteller auf der Slow-Food-Messe von 100 auf 549 gestiegen. Der Trend geht zur regionalen Küche und der Förderung heimischer Produkte. Dazu gehört auch Whiskey.

Stuttgart - Angela Weis steht in der Halle sieben auf der Messe in Stuttgart und serviert auf einem Tablett Whisky. Die edlen Tropfen kommen aber nicht aus Schottland, sondern aus Württemberg. Die Besucher kosten gerade den Whisky einer kleinen Manufaktur aus Köngen (Kreis Esslingen). „Der Weizen wurde vor dem Destillieren geröstet und karamellisiert. Deshalb schmeckt man vor allem Kaffee- und Kakaoaromen“, sagt Weis. Die junge Frau ist aktuelle schwäbische Whisky-Botschafterin und erfahrene Edelbrand–Sommelière. Rund 50 Brennereien aus Deutschland präsentieren sich den Genussfans, und wer Lust auf mehr hat, kann gleich eine Bodensee-Whisky-Tour oder einen schwäbischen Whisky-Walk buchen.

Inhaltliches Wachstum

„Der Continental Whiskymarket ist wie der Marktplatz für das Brauereihandwerk sowie die Kochwerkstatt ein spannendes Segment auf der Slow-Food-Messe“, sagt Roland Bleinroth, Geschäftsführer der Messe Stuttgart. Zum zehnten Mal lädt der Markt des guten Geschmacks die Besucher ein. Die erste Messe fand noch auf dem Killesberg mit 100 Ausstellern statt. Mittlerweile präsentieren 549 Anbieter aus zehn Ländern in zwei Hallen ein Erlebnis für Gaumen und Sinne. „Uns geht es aber um das inhaltliche, nicht um das quantitative Wachstum“, sagt Bleinroth.

Mit diesem Motto ist auch Carlo Petrini angetreten, der Slow Food 1986 in Italien als Antwort auf die Eröffnung der ersten amerikanischen Schnellrestaurants in Rom gegründet hat. Der Verein hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, die regionalen Küchen und die lokale Herstellung von heimischen Produkten zu fördern. „Es ist kein einfacher Kampf, und ihr Deutsche könnt stolz sein auf euer Brot, die Brauereien und den Biowein“, sagt der Italiener. Essen ist eben nicht nur eine Frage von Geschmack, sondern gleichzeitig ein politischer Akt und hat auch seinen Preis. „Verlangen Sie niemals zu wenig, und bleiben Sie stark“, sagt Carlo Petrini, als er am Stand von Ralf Schick in Halle neun von dessen Essig probiert. Seit fünf Jahren bietet „essigart“ aus Brandenburg Essig aus Heidelbeeren, Äpfeln und sogar Erdbeeren in unverfälschter Form und in dekorativen Glasflaschen an.

Bioklasse statt Exportmasse

Lust auf ursprüngliche Bohnen, Biosafran und Schinken macht ein Stand aus Umbrien. Der Schinken hat es Alexander Bonde, Minister für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (Grüne), angetan. Er stellt bei den Verbrauchern ein neues Bewusstsein fest: „Lebensmittel sind wertvoll. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe können den Wettbewerb um das billigste Fleisch und um die billigste Milch nicht gewinnen. Wir setzen deshalb auf Bioklasse statt Exportmasse“, sagt Bonde.

Zu diesem Modell passt die Manufaktur von Jörg Geiger aus Schlat bei Göppingen. Bei ihm stehen die alten Wiesenobstsorten am Nordrand der Schwäbischen Alb im Mittelpunkt. Er setzt dabei auf ausgeprägte Aromen, natürliche Säuren und Gerbstoffe. Heraus kommt dabei der alkoholfreie Prisecco. Aus Äpfeln gewinnt er Gin, aus Birnen Champagner. „Wir wollen Genuss und Umweltschutz in Einklang bringen“, sagt Jörg Geiger.

Kinder und Jugendliche lernen in der Halle neun, wie man aus Bioabfall in einem Kompostmöbel einfach und geruchslos Bioerde herstellen kann, statt täglich Müll und ein schlechtes Gewissen zu produzieren. Am Stand Brot für die Welt kann man riechen, fühlen und schmecken, wie die bei uns eher unbekannten Getreide Teff und Quinoa schmecken, die in afrikanischen Ländern zu den Grundnahrungsmitteln zählen. Genuss hat eben viele Gesichter.