Der Baum im Marbacher Skatepark trägt derzeit kein Laub, ist aber dennoch nicht kahl. Foto: Werner Kuhnle/ 

An der Landesstraße am Neckar zwischen Marbach und Ludwigsburg zieht ein Baum die Blicke vieler Autofahrer auf sich. Er hängt voller Schuhe. Und es kommen immer wieder welche dazu.

Etliche Autofahrer, die auf der Landesstraße zwischen Marbach und Ludwigsburg unterwegs sind, reiben sich verwundert die Augen. Oder drehen den Kopf lieber zweimal zur Seite, um sich zu vergewissern, dass ihnen ihre Sinne keinen Streich gespielt haben. Haben sie aber nicht. Und sie haben richtig gesehen: An der Skateranlage auf Höhe der Marbacher Oehlerkreuzung steht ein Baum, an dem Dutzende Turnschuhe baumeln.

 

Handelt es sich etwa um eine Kunstkampagne? Oder hat jemand in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Schuh-Container geplündert und die Fußbekleidungen dann in den Ästen drapiert? Die Antwort lautet: weder noch. „Das ist ein Ritual aus der Skaterszene“, erläutert Andreas Ludmann vom Team des Marbacher Jugendhauses. Die Boarder feilten oft eine gefühlte Ewigkeit an einem schwierigen Trick. Klappe das Kunststück endlich, würden die Schuhe, mit denen man das Manöver gestanden habe, in einen Baum geworfen – um ihnen damit quasi Ehre zu erweisen.

Foto: Werner Kuhnle/ 

In der Praxis würden mutmaßlich nicht immer die Originale in die Höhe katapultiert, sondern symbolhaft andere, längst ramponierte Schuhe, sagt Ludmann. Anzunehmen sei zudem, dass Nachahmer, die nichts von dieser Tradition wissen, mit der Zeit ein paar ausrangierte Treter hinterhergeworfen haben.

„Das gibt es in mehreren Skaterparks“, bestätigt Robin Schneider vom Skateboardverein Besigheim. „Beim Skaten gehen einfach extrem viele Schuhe kaputt“, sagt er. Hätten diese ihre Schuldigkeit getan, würden sie zusammengebunden und in einen Baum befördert. In den USA, dem Mutterland der Szene, baumelten die Schuhe unter anderem in Strommasten. An die Tradition mit dem Turnschuhbaum sei in Besigheim ebenfalls angeknüpft worden. „Aber da hängen relativ wenig Schuhe“, sagt Schneider.

Foto: privat/ 

Ganz im Gegensatz zu dem Gewächs in Marbach. Eine Stadt, in der die Szene schon lange Wurzeln geschlagen hat. „Die Schuhe werden seit ungefähr zehn Jahren in diesen Baum geworfen. Davor, als er noch zu klein war, in einen anderen an der Skateranlage“, erzählt der national und international gefragte Marbacher DJ Shotta Paul von den Jugglerz, dessen Crew unter gleichnamigen Record Label Songs von Bausa, Bonez MC, Gentleman und anderen Künstlern produziert.


„Im Prinzip ist so ein Turnschuhbaum ein lebendes Kunstwerk. Das gibt es in vielen Skateboardstädten“, sagt der eingefleischte Skater. „Unsere Schuhe haben einen hohen Verschleiß. Man verbindet aber so viele Momente damit. Wenn sie durchgerippt sind, werden sie also wie eine Trophäe an einen Baum gehängt. Und zwar an dem Ort, an dem man diese Geschichten erlebt hat“, erläutert der Marbacher. „Es ist aber auch ein Signal, dass an dieser Stelle wirklich aktiv geskatet wird“, betont er.

Manche Schuhe setzen schon Moos an

Manchmal stibitze jemand ein Paar der ausgedienten Wegbegleiter aus den Ästen. Manche Exemplare setzten mit der Zeit aber sogar schon Moos an. „Nach circa fünf Jahren fallen sie wegen durchgerotteter Schnürsenkel auch wieder runter“, berichtet Shotta Paul. „Ich selbst habe noch nie meine abgerippten Turnschuhe in einen Baum geschleudert – aus Gründen der Nachhaltigkeit. Der Trend hat allerdings auch erst begonnen, als ich meine Jugendzeit bereits hinter mir hatte. Und ich verstehe schon den Gedanken, der dahintersteckt“, sagt der Marbacher.

Die meisten Autofahrer werden aber vermutlich weiter ratlos zu dem Baum in Marbach blicken, in dem Turnschuhe zu wachsen scheinen.