Sie ist Olympiasiegerin und Doppelweltmeisterin: In dieser Saison fehlt Carina Vogt aber noch das richtige Fluggefühl Foto: dpa

Sie ist in Deutschland das Gesicht, wenn es ums Skispringen der Frauen geht – doch Carina Vogt durchlebt erstmals ein Leistungstal. In Sapporo holte sie sich sogar eine blutige Nase. Bundestrainer Andreas Bauer sieht aber keinen Grund zur Sorge.

Oberstdorf - Carina Vogt fühlt sich momentan „nicht so prickelnd“. Das ist kein Wunder, schließlich hat die Olympiasiegerin und Doppel-Weltmeisterin im Skispringen gerade die Plätze 28 und 23 beim Heimweltcup in Oberstdorf belegt. So schlecht wie in diesen Tagen war sie seit vier Jahren im Weltcup nicht mehr. Die Überfliegerin, für die es immer nur aufwärtszugehen schien, steckt in der ersten großen Krise ihrer so glanzvollen Karriere.

„Carina geht sehr gut damit um: ruhig und gefasst“, sagt Andreas Bauer vor dem einzigen Großschanzenspringen der Frauen an diesem Donnerstag in Oslo. Der Bundestrainer bleibt ebenfalls ruhig, auch wenn es für das gesamte deutsche Team am vergangenen Wochenende ausgerechnet vor heimischem Publikum eine „ziemliche Klatsche“ (Carina Vogt) gab. „Es bringt ja auch nix, wenn man jetzt mit dem Hammer draufhaut. Das ist ja das Interessante am Leistungssport: Wir haben speziell mit Carina wirklich tolle Erfolge gefeiert, aber jetzt passt das Puzzle halt nicht zusammen“, betont Bauer ohne Emotionen. Er bleibt deshalb recht gelassen, weil es in diesem Winter kein echtes Großereignis gibt – und Carina Vogt ist nun mal die Frau für die ganz wichtigen Titel, die erst bei der WM 2017 in Lahti und bei Olympia 2018 in Pyeongchang wieder vergeben werden.

Das Material-Set-up passte nicht perfekt

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum die erfolgsgewohnte Werbeträgerin für die fliegenden Frauen in diesem Winter in solch ungewohnte Probleme reingeschlittert ist. Im vergangenen Sommer verzichtete die Sportlerin vom SC Degenfeld auf internationale Wettkämpfe und einige Trainingslehrgänge und widmete sich stattdessen ihrem Abschluss als Polizeimeisterin. „Du kannst als Frau vom Skispringen nicht leben und musst dich nebenbei auch um die Ausbildung kümmern. Also hat sie vor dieser Zwischensaison ohne WM und Olympia ihren Abschluss gemacht“, berichtet Bauer.

Zu Beginn des Weltcup-Winters fehlte Carina Vogt deshalb das Feingefühl, und auch das Material-Set-up passte nicht perfekt. Kurz vor Weihnachten hatte sich die junge Frau aus Schwäbisch Gmünd wieder an die Weltspitze herangetastet und landete beim Weltcup im russischen Nischni Tagil auf Platz vier. Es folgten mitten im Winter fünf Wochen ohne Weltcup für die fliegenden Frauen. Beim ersten Weltcup nach der Pause stürzte Vogt im japanischen Sapporo schwer. Sie blutete aus der Nase, erlitt eine Gehirnerschütterung und verbrachte fünf Tage im abgedunkelten Hotelzimmer ohne Training.

Probleme, den Absprung zu schaffen

Vor Familie und Freunden in Oberstdorf wollte Vogt nun beweisen, dass sie wieder ganz vorn mitspringen kann – doch der Schuss ging komplett nach hinten los. Beim Weltcup in der Heimat präsentierte sich die deutsche Vorzeigefliegerin komplett verunsichert, unglaublich indisponiert. „Ich fühle mich in der Anfahrt nicht wohl, bin in jedem Sprung in einer anderen Position und habe Probleme, den Absprung zu treffen“, analysierte Vogt zutreffend und selbstkritisch. Es passt derzeit also nix, „auch das Feingefühl und die mentale Frische fehlen“ (Bauer).

Das ist jedoch für die bodenständige Frau, die auch nach ihren unglaublichen Höhenflügen nie abgehoben ist, kein Grund zum Frust. Am Dienstag trainierte sie in Oberstdorf mit dem deutschen Team und testete Material, ehe es am Abend nach Oslo zum persönlichen Saisonhöhepunkt ging. „Auf das Großschanzenspringen freue ich mich am meisten. Ich brauche einfach Sprünge, um das Gefühl und die Sicherheit wieder zurückzuholen. Dann geht es schon wieder aufwärts“, sagt Vogt. An diesem Freitag gibt es in jedem Fall Grund zum Feiern: Dann wird Carina Vogt 24 Jahre alt.