Allen Grund zum Jubeln: Peter Prevc gewinnt die Vierschanzentournee. Foto: dpa

Für Severin Freund hat sich der Traum vom ersten Triumph eines deutschen Skispringers seit 14 Jahren nicht erfüllt – weil ein Konkurrent noch besser gewesen ist.

Bischofshofen - Bundestrainer Werner Schuster hatte vor dem Abschlussspringen der Vierschanzentournee in Bischofshofen einen Vergleich zum Fußball gezogen: „Es gab ja 1999 mal ein Champions-League-Finale der Bayern gegen Manchester . . .“ 1:0 führte der FCB damals in der 90. Minute, doch in der Verlängerung gelangen den Engländern noch zwei Tore. United gewann die Königsklasse.

Peter Prevc hatte vor dem Tournee-Finale in Bischofshofen 19,7 Punkte oder elf Meter Vorsprung auf Severin Freund. Konnte auch dem 27-jährigen Bayern ein Wunder gelingen wie damals ManU? Nein. Die Überraschung blieb aus. Prevc (23) setzte sogar noch einen drauf, gewann in Bischofshofen mit den jeweils weitesten Sprüngen der beiden Durchgänge (139 m und 142,5 m) sein drittes Tourneespringen. Sein Konkurrent Severin Freund hatte mit 136 m und 141 m das Nachsehen, er wurde in Bischofshofen und in der Gesamtwertung Zweiter. „Sevi kann stolz auf diese Tournee sein, Prevc war zu souverän, das muss man anerkennen“, sagte Bundestrainer Schuster. Und Freund meinte zufrieden: „Es hat sehr viel Spaß gemacht. Wer viermal auf dem Podest steht, der hat viel richtig gemacht. Und der Sieg in Oberstdorf mit dieser fantastischen Stimmung wird mir lange in Erinnerung bleiben.“ Da wollte keiner widersprechen.

Bislang galt Peter Prevc als der Mann, der zwar am spektakulärsten springt, dem aber der ganz große Sprung nicht gelingen will. Bei Olympia und Weltmeisterschaften war bisher immer zumindest einer besser. Und im vergangenen Winter hatte er zwar in der Weltcup-Gesamtwertung gleich viele Punkte gesammelt wie Freund. Weil der Slowene aber weniger Siege erreicht hatte, erhielt der Deutsche die Große Kristallkugel.

Doch Prevc ist an diesen Niederlagen nicht zerbrochen. Ganz im Gegenteil. Er hat die entsprechenden Schlüsse gezogen. „Im Sommer habe ich etwa fünf Prozent im Training zugelegt“, sagte er, „dadurch habe ich noch einmal ein anderes Level erreicht. Es ist so unglaublich, dass ich es jetzt geschafft habe.“ Sechs Springen hat er in dieser Saison bereits gewonnen, darunter nun die Tournee-Wettbewerbe in Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen.

Prevc zieht sich gerne in die Berge zurück

Begonnen hat alles im kleinen Dorf Dolenja Vas in der Nähe von Kranj. Vater Dore, der dort eine Möbelfabrik betreibt, brachte seinen Kindern das Skispringen bei. Zuerst seinem Sohn Peter (23), dann dessen Brüdern Cene (20) und Domen (16). Auch Tochter Nika (10) schnallt sich die langen Latten an. Lediglich Nesthäkchen Ema (6) verweigert sich – noch. Denn Peter Prevc hat einen großen Wunsch: „Ich würde gerne einen Mixed-Wettbewerb nur mit Prevc-Familienmitgliedern bestreiten.“

Für den Überflieger ist das schon eine ungewöhnliche Ansage. Denn unter den Springern gilt er als äußerst ruhiger Zeitgenosse. „Er ist kein Mann der großen Worte“, sagt der Tournee-Dritte Michael Hayböck, „wenn man ihn anspricht, antwortet er nett, aber von sich aus sagt er nichts.“ Prevc meint über sich selbst: „Ich bin ein sehr ruhiger Charakter.“ Dazu passt, dass der Polizist zugibt, häufig seine Handy auszuschalten – um seine Ruhe zu haben.

In seiner Heimat ist es damit nicht mehr weit her. Dreimal wurde Prevc schon zum „Sportler des Jahres“ gewählt. Er ist ein Star. Nach Primoz Peterka, dem zweimaligen Gewinner des Gesamt-Weltcups sowie der Vierschanzentournee 1996/97, ist er der zweite Weltklassespringer aus Slowenien.

Gerne zieht sich der 23-Jährige, der mit Freundin Mina in Radovljica in der Nähe von Bled lebt, in die Berge zurück. Im Sommer zum Wandern, im Winter zum Skifahren. Ansonsten liest er viel, sitzt häufig am Computer, spielt gerne Volleyball. Privat gerne ruhig, mag Prevc an den Schanzen das Spektakel. „Ich liebe es, wenn viele Zuschauer da sind.“ So wie bei der Tournee: Alle vier Springen waren ausverkauft. Als Athlet aus dem kleinen Slowenien ist Prevc, was die Unterstützung angeht, auch nicht wählerisch: „Egal welche Fahnen in der Luft sind, das treibt mich an.“ In Bischofshofen waren es sehr viele slowenische Fähnchen.