Die deutsche Gesamtweltcup-Spitzenreiterin und Olympiazweite Katharina Althaus ist enttäuscht über die verschobene Einführung der Vierschanzentournee für Frauen. Foto: imago/Eibner

Silvestertour statt Vierschanzentournee: Warum die fliegenden Frauen weiter auf Gleichberechtigung warten müssen.

Eigentlich müssten die fliegenden Frauen glücklich sein, könnte man auf den ersten Blick glauben. Nachdem es im vergangenen Winter mit zwei Wettkämpfen im slowenischen Ljubno erstmals ein Weltcup-Event rund um den Jahreswechsel für die Skispringerinnen gab, steht in diesem Jahr die Premiere einer echten Silvestertour auf dem Plan. Auf zwei Springen im österreichischen Villach (28. und 29. Dezember) folgt eine Doppelveranstaltung in Ljubno (31. Dezember/1. Januar). Für die Gesamtsiegerin der vier Springen sind ein beachtliches Preisgeld von 20 000 Schweizer Franken und eine Goldene Eule als Pokal ausgelobt.

Die Reaktionen auf das neue Vorzeige-Event für die Skispringerinnen sind trotzdem eher gemischt – und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Die deutsche Gesamtweltcup-Spitzenreiterin und Olympiazweite Katharina Althaus spricht zwar von einer Verbesserung des Programms: „Es ist aber nicht das, was wir wollten – und das ist die Frauen-Vierschanzentournee von Großschanzen.“ Die deutsche Fliegerin Luisa Görlich schimpfte in ihrem Blog bei Sport.de, dass die letzten Wettkämpfe bewiesen hätten, „dass die Zeit reif ist für eine Vierschanzentournee der Frauen. Vor diesem Hintergrund ist es eine Unverschämtheit, im Zeitalter der Gendergerechtigkeit, die Entscheidung auf eine eigene Tour wieder verschoben zu haben!“

Die Österreicherinnen haben eine Rückzieher gemacht

Die Skispringerin reagierte damit auf eine überraschende Ankündigung von Roswitha Stadlober, Chefin des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), dass die Premiere der Vierschanzentournee für Frauen „nicht vor 2024/25“ stattfinden werde. Dabei war die Einbeziehung der Frauen in die wichtigste jährliche Skisprungveranstaltung der Welt schon für den kommenden Winter 2023/2024 offiziell angekündigt worden. Doch nun machte der ÖSV einen Rückzieher. Stadlober sprach nebulös von „noch vielen zu berücksichtigenden Faktoren, die eine frühere Einführung nicht ermöglichen“.

Beim Deutschen Skiverband (DSV) vermutet man, dass sich der ÖSV bei traditionellen Veranstaltungsorten für die Frauen wie Hinzenbach oder Villach in der Pflicht sieht und deshalb bei der Tournee bremst. Das Verständnis für diese Haltung hält sich jedoch in Grenzen. „So wird man das Produkt Frauen-Skispringen nicht entscheidend weiterentwickeln. Wir dürfen keine Zeit mehr mit der Einführung der Vierschanzentournee für Frauen verlieren“, sagt Horst Hüttel. Er ist beim DSV für die Themen Skispringen und nordische Kombination verantwortlich und hat die Gleichberechtigung in beiden Sportarten in den vergangenen Jahren entscheidend vorangetrieben.

Der Name Vierschanzentournee hat eine einmalige Wertigkeit

Die Kritik von Hüttel und vielen der Athletinnen wird vor allem an zwei Dingen festgemacht. Zum einen wird in Ljubno und Villach auf Normalschanzen gesprungen. Auf dem kleinen Bakken in Slowenien, so Hüttel, seien im vergangenen Winter zwei Drittel der Frauen bei Weiten unter 85 Metern gelandet. Natürlich ist das für Zuschauer vor Ort und im TV nicht so attraktiv wie die Weiten über 130 Meter, die auf den vier Vierschanzentournee-Anlagen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen geflogen werden.

Zum anderen hat der Name Vierschanzentournee eine einmalige Wertigkeit in der Welt des Sports. Die Siegprämie für den Gesamtsieger von 100 000 Euro und der Goldene Adler als Pokal sind echte Markenzeichen für die Bedeutung des Events. „Von diesem Image würden natürlich auch die Frauen profitieren. Aber der Name Vierschanzentournee ist geschützt. Und es geht nur in einer Zusammenarbeit zwischen dem DSV und dem ÖSV“, sagt Hüttel und fügt hinzu: „Wir sind für jegliche Gespräche bereit. Wenn es gewünscht ist, setzen wir uns morgen an einen Tisch. Der Ball liegt aber jetzt beim ÖSV.“

Das Fernsehen wäre sofort mit im Boot

Laut der ursprünglichen Planungen für die Premiere einer Frauen-Vierschanzentournee wären die Sportlerinnen in den beiden Ausrichterländern zur gleichen Zeit gesprungen wie die Männer, aber in umgekehrter Reihenfolge der Tournee-Ausrichterorte. „In Oberstdorf sind die Hotels rund um den Jahreswechsel schon über Jahre ausgebucht, und der Tross der Skisprung-Frauen bräuchte noch einmal 150 Leute extra“, begründet Hüttel.

Diesen Kompromiss hätte man nach seiner Meinung eingehen können mit dem Ziel, später die Frauen-Tournee in der traditionellen Reihenfolge und an den gleichen Tagen wie bei den Männern zu springen. Das Fernsehen hatte für den Plan einer Frauen-Vierschanzentournee ganz klar den Daumen nach oben gezeigt. Auch die vier Tournee-Ausrichterorte wären im Boot und das zusätzliche Preisgeld gesichert. Doch der ÖSV hat offenbar andere Pläne. Präsidentin Stadlober verkündete bei einer Pressekonferenz, dass die Silvester-Tour in Villach und Ljubno „erst mal fix“ im Weltcup-Kalender sei. Das italienische Tarvisio könnte zudem als zusätzliche dritte Station für die Silvestertour dazukommen.

Auch Sven Hannawald versteht die Verzögerung nicht

Das löst auch bei Sven Hannawald Unverständnis aus. Der bislang letzte deutsche Gesamtsieger der Vierschanzentournee appelliert an die Verantwortlichen: „Es wird höchste Zeit für eine Vierschanzentournee der Frauen! Die derzeitige Lösung, dass man irgendwo rund um den Jahreswechsel springt, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Gemeinsame Weltcups von Frauen und Männern funktionieren doch an anderen Ausrichterorten auch perfekt!“