Ein Flug auf Auf Titelkurs: Norwegens Kenneth Gangnes Foto: Getty

Die Skiflug-WM könnte zur großen Show der Norweger werden – was selbst deren Trainer vor der Saison nicht für möglich gehalten hat. Das deutsche Team leckt zur Halbzeit die Wunden.

Bad Mitterndorf - Das Fazit von Bundestrainer Werner Schuster fiel schonungslos aus: „Leider haben wir mit der Entscheidung nichts mehr zu tun.“ Bereits 50 Punkte Rückstand hat Severin Freund nach zwei von vier Sprüngen als Siebter, bei Richard Freitag auf Platz elf sind es gar 70 Zähler. Trotzdem macht der Springer aus Aue auf Optimismus: „Es sind noch zwei Sprünge, im Prinzip ist noch alles offen.“ Einen Hauch mehr Realitätssinn bewies Freund: „Der ganz große Wurf war leider nicht dabei.“ Er will im Finale angreifen und schauen, dass er ins Fliegen kommt und Spaß hat.

Richtig viel Spaß hatte wieder einmal sein Dauerkonkurrent Peter Prevc. Der Slowene flog 243 Meter weit. Damit überflügelte er Freunds Schanzenrekord aus dem vergangenen Jahr um fünfeinhalb Meter. Trotzdem reichte es für den Gewinner der Vierschanzentournee nicht zur Halbzeit-Führung. Der Norweger Kenneth Gangnes war in Summe ein wenig besser.

Die ganz große Überraschung ist die Führung des 26-Jährigen nicht. Immerhin liegt er im Gesamtweltcup auf Platz drei. Seinen einzigen Sieg holte er sich zum Beginn der Saison in Kuusamo. Dabei hat er schon vor acht Jahren im Weltcup debütiert. „Kenneth hat sich zweimal das Kreuzband am gleichen Knie gerissen“, erklärt sein Trainer Alexander Stöckl, „das hat ihn zurückgeworfen.“ Danach hat er sich wieder herangearbeitet. „Er war zwei Jahre verletzungsfrei und hat sich konstant gesteigert bis hin zu dem Erfolg, den er jetzt hat“, sagt Stöckl.

Trainer Stöckl hat das System umgekrempelt

Nicht nur Gangnes hat aus dem norwegischen Team in dieser Saison den Sprung an die Spitze geschafft. Die Skandinavier beeindrucken durch Mannschaftsstärke. Fünf Athleten waren beim letzten Skispringen in Willingen unter die besten zehn gekommen. Im Zwischenklassement der Skiflug-WM belegen Johann Andre Forfang als Vierter und Anders Fannemel auf Rang sechs noch Spitzenplätze. All das überrascht sogar den Trainer der norwegischen Jungs.

„Dass es so gut läuft“, sagt Alexander Stöckl, „damit konnte man nicht rechnen.“ Schließlich haben vor einem Jahr Anders Jacobsen und Anders Bardal ihre Karriere beendet, kurz zuvor hatte das Duo gemeinsam mit Rune Velta und Fannemel den Team-Titel bei der WM gewonnen. Insgeheim hatten sich die Verantwortlichen deshalb auf eine kleine Durststrecke eingestellt. „Dass die jungen Athleten so starten und aufs Podium springen, das ist schon speziell“, sagt Stöckl – der sich dafür aber auch selbst ein wenig auf die Schulter klopfen darf.

2011 war der Österreicher von den Norwegern engagiert worden – und hat in der Folge deren System ordentlich umgekrempelt. In vielen kleinen Zentren arbeiteten die Trainer völlig autonom mit ihren Athleten, eine klare Linie fehlte. Bei vielen Besuchen an den Stützpunkten erläuterte er seine Philosophie. „Es sind in der Nachwuchsarbeit Dinge umgesetzt worden, die von mir vorgeschlagen wurden“, sagt der Trainer stolz.

Es wird mehr zentral trainiert

Mittlerweile wird speziell mit den Weltcup-Springern nicht mehr so viel in den regionalen Stützpunkten, sondern mehr zentral gearbeitet. Drei zusätzlich eingestellte Trainer sorgen dafür, dass junge Talente schneller an das Topniveau der Nationalmannschaft herangeführt werden. Vor einer Woche konnte das deutsche Quartett die Norweger im Teamwettbewerb in Willingen noch knapp schlagen. Bei der Mannschafts-Entscheidung am Kulm sind die Skandinavier für Bundestrainer Werner Schuster der absolute Favorit. Gefolgt von den Slowenen mit Peter Prevc. „Wir werden mit den Österreichern um Bronze kämpfen“, sagt er. Dafür müssen seine Springer aber erst noch ordentlich ins Fliegen kommen.