So kann Skicross aussehen: Brant Crossan (USA), Jean Frederic Chapuis (Frankreich), Stefan Thanei (Italien) und David Duncan (Kanada) beim Skicross-Weltcup 2016. Foto: AFP

Skicross gilt als eine der gefährlichsten Disziplinen bei Olympia. Die Deutschen kritisieren die Gefahr und den olympischen Gigantismus – hoffen aber auch auf eine Medaille im Rennen am Mittwoch.

Pyeongchang - Es ist bisher nicht schlecht gelaufen für die deutschen Skifahrer bei den Winterspielen. Allerdings auch nicht wirklich gut. Es gab einige starke Platzierungen, aber keine Medaille. Weshalb nun alle auf die Skicrosser schauen. Und hoffen. Auf einen Podestplatz, vielleicht sogar auf mehr. Aus der Nebenrolle ins Rampenlicht? Heli Herdt hätte nichts dagegen. „Wenn wir es schaffen können, die Bilanz des Deutschen Ski-Verbandes zu retten“, sagt der Mann, der beim DSV für die Ski-Freestyler verantwortlich ist, „tun wir das gerne.“ Auch wenn es riskant ist.

Skicross ist nicht nur spektakulär. Es ist auch gefährlich. „Das wissen wir“, sagt Paul Eckert, der beste Deutsche, „doch wer am Start darüber nachdenkt, ist definitiv nicht richtig am Platz.“ Falsch wäre es allerdings, sich gar nicht mit dem Risiko auseinanderzusetzen. Erst recht vor einem Rennen wie an diesem Mittwoch (3.30 Uhr/MEZ), das einer der Höhepunkte der Winterspiele werden soll. „Wir brauchen sicher noch die eine oder andere Modifikation für mehr Sicherheit“, sagt Herdt. Und erinnert an die Crossrennen der Snowboarder.

„Die Entwicklung geht in Richtung Tod“

Gefahren wird, egal ob auf einem oder zwei Brettern, auf einer Art breiten Bobbahn im Schnee. Mit Steilkurven, Wellen, Sprüngen. Gleichzeitig unterwegs sind bei den Snowboardern sechs, bei den Skifahrern vier Athleten. Doch nicht immer kommen alle unten an. Bei den Boardern gab es zahlreiche Verletzte, am schlimmsten erwischte es Markus Schairer. Der Österreicher zog sich einen Halswirbelbruch zu, zum Glück ohne Folgeschäden. Danach gab es Kritik an der (zu) selektiven Strecke. Auch von Konstantin Schad (Miesbach). „Ich habe ein Problem damit, bei jedem Sprung mein Genick zu riskieren“, meinte der deutsche Athletensprecher, „die Entwicklung bei uns geht in Richtung Tod.“

Mit derartig plakativen Äußerungen können die Skicrosser nichts anfangen. „Unser Sport ist gefährlich. Aber nicht lebensgefährlich“, erklärt Eckert. Und auch Herdt mag Schad nicht zustimmen: „Es weiß jeder, auf was er sich einlässt. Deshalb finde ich es ein bisschen befremdlich, von Lebensgefahr zu sprechen.“ Klare Worte wählt allerdings auch der DSV-Sportchef. Weil die Entwicklung in die falsche Richtung gehe. Auch in Pyeongchang.

Skicrosser sind die jungen Wilden des alpinen Skisports

Im Weltcup werden für einen Kurs rund 50 000 Kubikmeter Schnee verbaut. Das reicht, um ein spannendes Rennen zu garantieren. In Südkorea wurden 280 000 Kubikmeter Schnee bewegt. Heraus kam eine Mega-Strecke. Nach dem Starttor gibt es gleich mal 3,5 Meter freien Fall, danach einen großen Höcker. Und am Ende einen Zielsprung, der bis zu 55 Meter weit gehen kann. „Die Hindernisse sind teilweise riesig, die Jungs werden zu Skispringern“, sagt Heli Herdt, „dieser Gigantismus ist mir zu viel. Die Ideologie beim Cross besteht ja nicht aus hohen und weiten Sprüngen. Sondern darin, möglichst viele Überholmanöver zu ermöglichen.“ Dazu brauche es kein Höchsttempo, schnell werde es auch so: „Es bremst ja keiner, jeder fährt mit dem Messer zwischen den Zähnen.“ Ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Skicrosser sind die jungen Wilden des alpinen Skisports. Und Paul Eckert (27) ist ihr Anführer, zumindest im deutschen Team. „Er ist unser Papa“, sagen Tim Hronek (22) und Florian Wilmsmann (22), „er kümmert sich um uns.“ Aber auch um die sportliche Bilanz. Der Mann aus dem bayerischen Samerberg gewann den letzten Weltcup vor den Spielen in Nakiska/Kanada. Es war der erste DSV-Podestplatz in diesem Winter. Das tat gut. Und gab zugleich Zuversicht. „Für den ersten Sieg“, erklärt Wilmsmann, „hätte es keinen besseren Zeitpunkt geben können.“

Paul Eckert will aufs Podest

Die Leistungsdichte im Skicross ist enorm hoch. Mindestens 16 der 32 Olympia-Starter, glaubt Herdt, können eine Medaille gewinnen. Doch kaum einer geht mit so viel Selbstvertrauen ins Rennen wie Paul Eckert: „Mir taugt die Strecke, beim Weltcup vor zwei Jahren war ich hier Zweiter. Mein Ziel ist, aufs Podium zu fahren.“

Es wäre die Pointe auf eine Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen. Eckert kam, nachdem er seine alpine Karriere schon abgehakt hatte, aus Zufall zum Skicross. Doch nach einer verkorksten Saison 2015/16 wurde er in den B-Kader zurückgestuft. Für ihn war es die Motivation, noch mehr draufzupacken. Im Kraftraum. Aber auch auf der Strecke. „Das Duell Mann gegen Mann macht den Reiz in unserem Sport aus“, sagt Eckert. Und Herdt erklärt: „Die Jungs haben es drauf – jetzt muss nur noch einer durchkommen.“ Für sich. Aber auch für die Bilanz des DSV bei diesen Winterspielen.