Auf dem Sprung in Ziel Foto: dpa

Der olympische Zeitplan meint es gut mit den deutschen Skirennläufern. Zum Auftakt stehen die Abfahrt der Männer und der Riesenslalom der Frauen an. Es könnte ein glänzender Start werden.

Pyeongchang - Thomas Dreßen (24) Es ist noch nicht lange her, da standen die deutschen Abfahrer vor dem Nichts. Kaum einer glaubte an ihre Zukunft – abgesehen von einem Österreicher. Im Sommer 2014 saß Mathias Berthold in einem Biergarten in München. Im Schatten einer Kastanie erklärte er ein paar Journalisten, warum er Cheftrainer der deutschen Rennläufer werden wolle. Und dass er die Abfahrer spätestens 2018 so weit haben wolle, dass sie bei den Olympischen Spielen eine Medaille holen können. Die Medienleute sahen ihn an, als spreche er von Skirennen auf dem Mond. Doch nun könnte sich die Prophezeiung Bertholds in der Nacht auf Sonntag (3 Uhr/MEZ) sogar erfüllen: dank Thomas Dreßen. Der sympathische Bayer siegte vor drei Wochen auf der legendären Streif. Und wer in Kitzbühel gewinnt, das sagt nicht nur Cheftrainer Berthold, der kann überall gewinnen. Auch in Südkorea.

Diese Aussicht könnte Thomas Dreßen belasten. Ihm zu viel Druck auferlegen. Ihn ausbremsen. Tut es aber nicht. Weil er unbekümmert geblieben ist. Und dennoch selbstbewusst. Bei den Trainingsfahrten auf der Piste in Pyeongchang gehörte er zwar nicht zu den Schnellsten, doch er weiß um seine Form. „Aksel Lund Svindal und Beat Feuz werden sicherlich ganz vorne dabei sein“, sagt Dreßen, „aber ich traue mir selbst auch schon einiges zu. Ich sehe mich als Außenseiter-Mitfavorit.“

Das Problem: Die Strecke, auf der es um das prestigeträchtigste Gold der Winterspiele geht, ist nicht allzu selektiv. Vier halbwegs anspruchsvolle Sprünge sind zu meistern, ansonsten vornehmlich lang gezogene Kurven. Es ist schwer, auf dieser Piste schnell zu sein, aber ziemlich leicht, viel Zeit zu verlieren. Fehler sind nicht wieder gutzumachen. Allerdings gibt es in der Weltelite mindestens ein Dutzend Abfahrer, das eine solche Strecke absolut fehlerfrei bewältigen kann. „Mir taugt es hier ganz gut“, erklärt Thomas Dreßen, „ich sehe aktuell nur fünf, sechs andere Läufer vor mir. Hätte ich das am Anfang der Saison gesagt, hätte jeder dies als komplette Spinnerei abgetan. Mittlerweile ist es aber nicht mehr so unrealistisch.“

Und wenn doch nichts werden sollte aus der erhofften Medaille? Wird Wolfgang Maier, der Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV), seinen Star trösten: „Olympiasieger sind bei Weitem nicht so bekannt wie Kitzbühel-Sieger.“

Viktoria Rebensburg (28) Die erste Niederlage gab es für Viktoria Rebensburg schon vor der Eröffnungsfeier, allerdings eine, die sie leicht verschmerzen konnte. Es war ja ohnehin unwahrscheinlich gewesen, dass nach Maria Höfl-Riesch (2014 im russischen Sotschi) erneut eine Skirennläuferin zur Fahnenträgerin gewählt werden würde. Und es war ja auch durchaus von Vorteil, sich in Ruhe auf den ersten Wettbewerb vorbereiten zu können – zumal dies gleich der wichtigste ist.

Im Riesenslalom wurde die Kreutherin 2010 Olympiasiegerin, im Riesenslalom holte sie 2014 Olympiabronze, und im Riesenslalom will sie in der Nacht auf Montag (5.45 Uhr MEZ) erneut zuschlagen. Viele trauen ihr das zu. Weil sie sich in Pyeongchang sehr wohlfühlt, neben der Unterkunft und dem Essen auch die Strecke lobt. Weil sie ihre Lieblingsdisziplin in diesem Winter dominiert und schon drei Siege geholt hat. Aber auch, weil sie sich selbst keinen allzu großen Druck macht – zumindest offiziell: „Für mich ist es ein Rennen wie jedes andere. Es gibt einen Start, es gibt blaue und rote Tore, und ich versuche, so schnell wie möglich durchzufahren.“

So einfach ist es natürlich nicht, das weiß auch Rebensburg. Zumal die Leistungsdichte im Riesenslalom enorm hoch ist. Zu rechnen ist vor allem mit Tessa Worley (Frankreich) und Superstar Mikaela Shiffrin (USA), aber Kandidaten fürs Podium gibt es ein halbes Dutzend. Mindestens. Gewinnt die beste deutsche Rennläuferin dennoch, wäre dieser Erfolg ein historischer. Doppelolympiasiegerin im Riesenslalom ist bisher nur die Italienerin Deborah Compagnoni geworden. Aber auch das macht Rebensburg nicht nervös: „Wer aufs Podium fahren will, bei dem muss alles passen. Deshalb sind solche Rekorde definitiv nicht in meinem Kopf.“

Gedanken gemacht hat sie sich dagegen über ein anderes Thema. Und auch einen Entschluss gefasst. Selbst wenn sie in Pyeongchang erneut Gold holen sollte, würde sie danach nicht abtreten. „Das wird nicht passieren“, sagt Rebensburg, „ich habe noch so viel Spaß, liebe meinen Sport und genieße ihn. Meine Karriere hängt für mich nicht von einem Ergebnis bei den Olympischen Spielen ab.“

Die nächste Wahl der Fahnenträgerin gibt es 2022. Vor der Eröffnungsfeier in Peking.