Hat bei seinem Saisondebüt noch Trainingsrückstand: Felix Neureuther. Foto: dpa

Im ersten Rennen musste er noch verletzt passen. Beim Slalom in Levi beginnt für Felix Neureuther die neue Skisaison – aber nicht nur die. Der 30-Jährige startet in den letzten Abschnitt seiner Karriere. Auch, um sie vollends zu krönen.

Stuttgart/Levi - Das Gute an Felix Neureuther ist ja, dass er selten seinen Humor verliert. So war es auch vor wenigen Wochen, als er viele Gründe gehabt hätte, Trübsal zu blasen. Sein Rücken bereitete dem Skistar wieder einmal Probleme, das Auftaktrennen in Sölden musste er sausen lassen – und die Erinnerungen an das Malheur vor den Olympischen Spielen in Sotschi war auch noch nicht Vergessen. Da hatte sich Neureuther beim Einschlag in die Fahrbahnbegrenzung auf der Fahrt zum Flughafen München verletzt, in Russland musste er dann lange um seinen Olympiastart bangen.

Böse Erinnerungen also, doch als Felix Neureuther dann die Vorzüge seines neuen Dienstwagens preisen sollte, sagte er grinsend: „Bei mir muss er nur leitplankentüchtig sein.“ Ein Lacher – der aber auch die Frage anschließt: Geht der Bayer tatsächlich so unbeschwert und positiv durchs Leben?

Die Karriere des Felix Neureuther bot schließlich allerhand Problematiken. Da war zu Beginn der Druck, als Sohn der Ski-Legenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther gleich höchsten Ansprüchen ausgesetzt zu sein. Dann gab es die Phase, in der Neureuther zwar sein Talent andeutete, sein Draufgängertum ihm aber Ausfälle ohne Ende bescherte – samt entsprechender Kritik der Trainer. Auch als Folge der zahlreichen Grenzgänge und Stürze meldete sich dann der Körper. Schulter, Knie, Daumen, Sprunggelenk, überall hatte Neureuther schon Malheur. Die Pein mit dem Rücken begleitet ihn seit Jahren. Weshalb er sich als grandioser Rückkehrer einen Namen gemacht hat. Aber: „Das kostet viel Energie.“ Und Mathias Berthold, der neue deutsche Cheftrainer der Ski-Herren, befürchtet: „Es kann sein, dass du irgendwann Substanz verlierst wegen der vielen Pausen.“ Die letzte liegt einige Wochen zurück.

„Im Sommer ist es mir echt mal gut gegangen“, sagt Neureuther. Bei einem Krafttest Ende Juni meldete sich dann aber eine alte Entzündung im Rücken zurück, die Vorbereitung war mal wieder gestört, der Masterplan, den sich Felix Neureuther für die letzte längere Phase seiner Karriere zurechtgelegt hatte – mehr Pausen, ein gründlicher Formaufbau –, erstmal dahin. Am Sonntag (10 und 13 Uhr/Eurosport) beginnt beim Slalom in Levi nun dennoch seine Rennsaison, auch wenn Berthold sagt: „Seinen Trainingsrückstand hat er noch nicht vollständig kompensieren können.“ Neureuther sieht sich bei „etwa 70 Prozent“ seiner Leistungsfähigkeit. In Finnland will er sich an die Rennbelastung gewöhnen, nach dem Jahreswechsel zählt es dann für den Slalomspezialisten. Dann stehen innerhalb weniger Wochen die Klassiker an, im Anschluss geht es zur WM nach Vail (USA). „Das ist das große Highlight“, sagt Neureuther, über Medaillen allerdings will er lieber noch nicht sprechen.

Zu unvorhersehbar waren die Einschnitte seiner Laufbahn, zu stark auch ist die Konkurrenz. Nur so viel: Sollte er fit und in bester Verfassung sein, sei es schwer, ihn zu schlagen. Neun Weltcupsiege hat er bereits gefeiert, 2013 ist er in Schladming Vizeweltmeister im Slalom geworden, ansonsten hat es bei Großereignissen noch selten so richtig zusammengepasst für den 30-Jährigen aus Garmisch-Partenkirchen – was bedeutet: Der ganz große Triumph fehlt noch im Portfolio des Pistenstars. Auch deshalb war ein Karriereende im Sommer noch kein Thema.

„Den brauchen wir noch, den Burschen“, sagt Berthold und betont damit die besondere Bedeutung Neureuthers für den deutschen Skisport, „den können wir nicht in die frühzeitige Rente schicken.“ Das Aushängeschild selbst sagt, das Skifahren bedeute ihm immer noch „so viel“, bis zu den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang will er daher weitermachen. Zumal die körperlichen Leiden so schlimm ja gar nicht sind. Sagt Felix Neureuther, der Optimist und Humorist, der eines perfekt beherrscht: Das Beste aus der Situation zu machen.

„Solange ich nicht mit dem Rollstuhl reingefahren werden muss“, hat er kürzlich seine Lage beschrieben, „ist alles gut.“