Platz drei: Kira Weidle erzielt in Kanada ihr bislang bestes Weltcup-Ergebnis. Foto: AFP

Die Abfahrerin Kira Weidle ließ mit ihrem dritten Platz in Lake Louise aufhorchen. Greift die gebürtige Stuttgarterin jetzt erst richtig an?

Stuttgart - Starnberg steht Kopf. Seit Kira Weidle am vergangenen Wochenende als Dritte der Abfahrt von Lake Louise ihren ersten Podestplatz holte, werden ganz wunderbare Erinnerungen wach an längst vergessene Zeiten.

Miriam Vogt war es, die mit ihren Erfolgen die Sektkorken knallen ließ im Skiclub Starnberg. 1993 wurde sie in Morioka Kombinations-Weltmeisterin, zuvor gewann sie 1992 mit der Abfahrt in Vail ihren einzigen Weltcup. Ganz Starnberg taumelte – vor Glück. Und jetzt ist da Kira Weidle, auch sie gehört dem SC Starnberg an – und ist damit die neue Miriam Vogt?

Bei Miriam Vogt steht im Pass: geboren in Starnberg. Wo hingegen Kira Weidle geboren wurde, mit ihrem verdächtig schwäbisch klingenden Nachnamen, ist dieser Tage in der Idylle am Starnberger See kein großes Thema. Stuttgart steht in ihrem Pass. Sie ist ja nur eine in Stuttgart geborene Starnbergerin – sagen sich die Starnberger. Doch im Prinzip ist sie eine Stuttgarterin, deren Familie ihren Lebensmittelpunkt nach Starnberg verlegt hat – das wiederum könnten die Stuttgarter behaupten.

Seit 17 Jahren in Starnberg

Auch wenn Kira Weidle jetzt schon seit 17 Jahren in Starnberg lebt. Und ihr Vater, ein waschechter Stuttgarter, erklärt: „Nach der langen Zeit fühlen wir uns als Starnberger, auch die Kira.“

Bevor nun ein Streit über die Zugehörigkeit seiner Tochter ausbricht: lustig ist es schon. Kein Mensch kann sich daran erinnern, wann und ob jemals eine Stuttgarterin Dritte einer Weltcup-Abfahrt wurde – auch Günther Weidle nicht. Um die Stadt herum gibt es nur Hügel. Und das Skifahren kann man bestenfalls auf den beschaulichen Buckeln der Schwäbischen Alb erlernen: in Wiesensteig, in Burladingen, in Albstadt. Doch Weidle lernte das Skifahren überwiegend im österreichischen Seefeld.

Die ersten vier Jahre ihres Lebens verbrachte sie in ihrer Geburtsstadt Stuttgart, dann ging der Vater mit der Familie beruflich auf Wanderschaft. Nach Stuttgart ging es für zwei Jahre nach NRW, seit ihrem sechsten Lebensjahr lebt die Athletin mit ihrer Familie in Starnberg. Dort hat Vater Günther, der in der Modebranche tätig ist, beruflich sein Glück gefunden. Zuhause in Starnberg hat er den famosen Kanada-Erfolg seiner Tochter vor dem Fernseher verfolgt. „Das ist mehr als erträumt“, sagt Günther Weidle, der im Hinblick auf die sportliche Zukunft seiner Tochter mit positiven Prognosen lieber vorsichtig ist. Was sie auszeichnet, aber weiß er: „Sie ist extrem fokussiert und bodenständig“, sagt der Vater. Schwäbische Tugenden? Auch das.

Irgendwann platzt der Knoten

Kira Weidle nährt trotz aller Zurückhaltung die Hoffnung, dass es neben Viktoria Rebensburg endlich wieder eine zweite Hoffnung im deutschen Frauenteam gibt. Weidle gab erst am 9. Januar 2016 ihr Weltcup-Debüt. Ihre Qualifikation für die Winterspiele in Südkorea kam derart überraschend, dass ihr Vater davon sprach, seine Tochter habe das lange Zeit überhaupt nicht realisiert. Doch Insider haben damit gerechnet, dass bei der inzwischen 22 Jahre alten Rennläuferin der Knoten platzen könnte – irgendwann. Mit Abfahrts-Bronze bei der Junioren-WM 2017 kündigte sie ihr Potenzial bereits an. Und ihr elfter Platz in der Abfahrt der Winterspiele war letzten Endes auch ein sehr ordentliches Statement – und ein Fingerzeig für die Zukunft.

Am Samstag (11.15/ARD und Eurosport) findet Kira Weidles nächster Weltcup-Auftritt statt. Super G in St. Moritz, das wird kein Selbstläufer. „Mit dem Erfolg im Rücken und dem damit verbundenen Selbstvertrauen möchte ich das Rennen im Engadin nutzen, um auch im Super-G einen Schritt nach vorne zu machen“, sagt Kira Weidle. In der langsameren Speed-Disziplin muss sie noch etwas zulegen, das weiß sie. Doch dass diese Saison, ihre Saison werden könnte, war ihr schon in den letzten Trainingswochen vor dem Weltcup-Auftakt klar geworden. „Da habe ich schon gemerkt, dass ich schnell unterwegs sein kann“, sagt die Rennläuferin, die immer sachlich und cool bleibt. Hat sie Erfolg, ist es okay, bleibt sie hinter den Erwartungen zurück, dann ist es, wie es ist.

Kira Weidle spricht Hochdeutsch

Sind so eher die Schwaben geeicht? Oder die Bayern? Ein bisschen trifft diese Herangehensweise auf beide Völker zu. Im Gerangel um die Zugehörigkeit muss Vater Günther Weidle allerdings beide Parteien enttäuschen. „In Stuttgart spricht sie etwas schwäbisch, in Bayern etwas bayerisch, doch beides kommt nur selten vor – denn Kira spricht Hochdeutsch.“