Wahnsinn – Josef Ferstl (Mitte) steht erstmals auf dem Podest – und gleich als Sieger. Foto: AP

Der Bayern gewinnt den Super G in Gröden und damit auch das erste Weltcuprennen seiner Karriere.

Stuttgart - Kjetil Jansrud hätte noch gefährlich werden können. Bei der ersten Zwischenzeit lag er zehn Hundertstelsekunden vorn, doch baute der Norweger einen hanebüchenen Fehler in seine Vorstellung, so dass die Kamera sofort hinüberschwenkte zu Josef Ferstl in der so genannten Leader-Box. Dort zeigte der Bayer sein Lausbubenlächeln in einer eher verhaltenen und ganz bestimmt nicht schadenfrohen Variante. Doch die imposanten Grübchen verrieten dann doch die leise Hoffnung, dass er an diesem wetterbedingt durchwachsenen Ski-Tag in Gröden den ersten Podestplatz seiner Karriere einfahren könnte. Am Ende war es sein erster Weltcupsieg – und die Sensation damit perfekt.

Josef „Peppi“ Ferstl gewinnt den Super G von Gröden – was für eine wunderbare Geschichte in einem wunderbaren Winter, in dem sich die deutschen Rennläufer auch ohne Felix Neureuther bärenstark präsentieren. Ferstl ist stolze 28 Jahre alt, was die Experten schon zu der Erkenntnis gelangen ließ, aus dem Sohn des zweifachen Kitzbühel-Siegers Sepp Ferstl könne niemals mehr werden als ein belangloser Mitfahrer. Fünfmal kam er zuvor in einem Weltcuprennen unter die besten Zehn. Und auch seine WM-Platzierungen bestätigten die Tendenz zu einem unscheinbaren Skifahrer-Dasein. Zuletzt in St. Moritz waren es die Positionen 18 in der Abfahrt, 26 im Super G und 25 in der Kombination.

Nur Wasmeier hat das geschafft

Am 17. März 1991 gewann Markus Wasmeier in Lake Louise als letzter Deutscher einen Super G – und nach all den Jahren nun auch Ferstl. Der Alpin-Direktor Wolfgang Maier bezeichnete den Überraschungserfolg als „historisch“, zumal nur Wasmeier und Ferstl in der zweitschnellsten Disziplin für Deutschland erfolgreich waren. „Es ist echt irre, ich habe schon mitgekriegt, dass das nicht so viele geschafft haben“, sagte Ferstl, der sich erst einmal bei den erfahrenen Kollegen erkundigen wolle, was man nach so einem gewonnenen Rennen überhaupt machen soll. Wie wär’s mit feiern? Sein Vater Sepp Ferstl, der daheim in Traunstein geblieben war, wusste zwei Stunden nach dem Rennen, was zu tun war: „Ich gehe jetzt zu ein paar Spezln und da machen wir ein Flascherl auf. Der Peppi soll das jetzt ausleben und genießen“, riet Ferstl Sepp aus der Ferne.

Sein Sohn besitzt durchaus das Talent zum Unterhalter. Er ist ein echter Bursche aus Oberbayern, stets aufgelegt zu Schabernack und kernigen Sprüchen. Wäre der Peppi vom SC Hammer schon früher erfolgreicher und bekannter gewesen, hätte er sich mit dem Ski-Spaßvogel Neureuther auf Augenhöhe befunden. Aber so kam es nicht es nicht. Stattdessen hätte der nationale Verband Ferstlund seinen Speed-Kameraden vor drei Jahren wegen trostloser Ergebnisse fast den Hahn abgedreht. Die Lizenz zum Skifahren war so gut wie weg.

Alles stand auf der Kippe

Josef Ferstl erinnert sich noch genau an die Zeit, in der alles auf der Kippe stand. „Es war echt das Thema, dass wir alles lassen und aufhören“, sagt er. Zwar räumt er ein, dass für die Leistung allein die Sportler verantwortlich sind, denn sie sind es ja auch, die auf den Brettern stehen. „Doch der Trainerstab war auf uns auch nicht so perfekt abgestimmt wie wir es gebraucht hätten“, erklärt der Rennläufer. Seit Mathias Berthold, ein Trainer-Guru aus Vorarlberg, im April 2014 das Kommando übernahm, zeigte die Formkurve nach oben – mehr und mehr. „Mit dem Mathias ist ein cooler, vertrauensvoller Chef gekommen, der zu hundert Prozent hinter uns steht.“

Andreas Sander bestätigte mit Platz sechs in Gröden die Wiederbelebung deutscher Speedkunst nach jahrelanger Flaute. Vor dem Weltcup in Südtirol setzte Thomas Dreßen als Dritter der Abfahrt von Beaver Creek das erste Ausrufezeichen in dieser Saison. Unter Berthold gibt es eine klare Sprache – mit klaren Ansagen. „Man muss als Athlet kritikfähig sein, ich finde das gut“, sagt Ferstl, der viel früher in seiner Karriere gerne mal so richtig zusammengestaucht worden wäre. Überdies wurde den deutschen Speedspezialisten in den vergangenen drei Jahren Grundlegendes vermittelt. Etwa, dass es nicht möglich ist, in Kitzbühel die gleiche Renntaktik anzuwenden wie in Wengen – sonst geht die Reise in den Fangzaun. Solche Dinge wie auch die richtige Haltung in schwierigen Passagen und bei Sprüngen waren ganz wichtig.

Mit Erfolg. „Ich freu’ mich für ihn“, sagt Ferstl senior, die Legende von „Kitz“. Denn sein Sohn, der Peppi, der ist jetzt auch wer.