Große Trauer im alpinen Sport: der Franzose David Poisson ist tödlich verunglückt. Foto: AP

Die Abfahrer starten in Lake Louise – und haben dabei den Tod von David Poisson im Hinterkopf. Das ist gar nicht so einfach.

Stuttgart - Marco Büchel ist ein Baum von einem Mann. Den ehemaligen Speedspezialisten, der heute als Ski-Experte, Moderator und Entertainer kraft seiner offenen Art sehr gefragt ist, macht aber auch kein Geheimnis daraus, dass es ihm schwer fallen würde, müsste er am Samstag in Lake Louise die Abfahrt bestreiten. Vor elf Tagen ist der Franzose David Poisson im Training tödlich verunglückt. Und solch eine Tragödie muss die Ski-Gemeinde erst einmal verarbeiten.

Dem einen Athleten wird es leichter fallen, dem anderen nicht. „Am schwierigsten ist das für die Kameraden im französischen Team, denn das ist eine eingeschworene Truppe, in der alle eng miteinander befreundet sind“, sagt Büchel, der es gut findet, dass den Franzosen freigestellt wird, ob sie nach dem Tod von Poisson überhaupt starten wollen. Nur eines steht fest: Wenn ja, dann aber nicht mit angezogener Handbremse. „Für einen Rennläufer, der mitmachen will, ist es ganz wichtig, dass er trotzdem attackiert. Denn passiv eine Abfahrt zu bestreiten, ist fast noch gefährlicher, als wenn man konsequent auf dem Ski steht und Druck macht“, sagt Büchel.

Alles wird ausfürlich besprochen

Der Liechtensteiner, den sie in der Branche einfach nur „Büxi“ nennen, erinnert sich an seine aktive Zeit zurück und gibt zu, dass ihm selbst die tragischen Stürze oft zugesetzt hatten. „Ich habe das damals nicht so einfach gekonnt, zur Tagesordnung überzugehen“, sagt er. Nach drei Ereignissen war bei ihm die Vorbereitung auf das nächste Rennen mental aus den Fugen geraten. Als Silvano Beltrametti nach seinem Horrorsturz querschnittsgelähmt blieb, als Matthias Lanzinger seinen linken Unterschenkel verlor und als Daniel Albrecht mit einem Schädel-Hirntrauma im Koma lag. „Für mich war das alles sehr schwierig. Und als in meiner letzten Saison mein bester Freund verstarb, der kein Skifahrer war, warf auch das mich aus dem Konzept“, sagt Büchel, der vier Weltcuprennen gewann – darunter auch die Abfahrt von Lake Louise.

Nach dem Tod von David Poisson wurden die Schussfahrer des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) derweil nicht im Stich gelassen. Es wurde über die Unfallursache diskutiert, über Sicherheit und über Möglichkeiten, das Risiko weitgehend zu minimieren. Wer von den Athleten wollte, konnte sich sogar einem Sportpsychologen anvertrauen. „Wir Trainer haben uns über die Umstände des Unglücks genau informiert und das mit den Aktiven im Nachgang ausführlich besprochen“, sagt der DSV-Männer-Trainer Mathias Berthold. Der Österreicher holte einmal den Abfahrer Klaus Brandner im Zuge großer Fürsorge aus dem Starthaus, weil sich zuvor ein schwerer Sturz ereignete. Und in Val d’Isere wurde die DSV-Mannschaft einst zur Sicherheit komplett aus dem Verkehr gezogen.