Die Reizenden Jungs sind in den vergangenen Jahren durch etliche Skat-Ligen einfach durchmarschiert. Foto: Sascha Maier

Beim Skat-Drittligisten Reizende Jungs gibt es keine gezinkten Karten. Dafür werden im Vereinsheim jeden Donnerstag zig Serien geklopft. Dem Verein fehlt es aber vor allem an jüngerem Nachwuchs – wobei auch das Internet eine Rolle spielt.

Heumaden - Wer heute beispielsweise Poker-Profi werden will, kommt nicht umhin, entsprechende Fach- und Sachbücher zu wälzen. Dasselbe gilt für Schach noch viel länger. Aber wie ist es beim Skat? Betrachtet man die Drittligisten aus Heumaden, die Reizenden Jungs, die vergangene Saison aufgestiegen und damit der höchstklassigste Skatverein in ganz Stuttgart sind, wird gezockt und kaum gelesen. Jeden Donnerstag kommen hier zwanzig bis dreißig Spieler im Vereinsheim Am Bergwald 19 zusammen, um sich Asse um die Ohren zu hauen.

„Dabei wird schon auch mal geflucht“, sagt Dieter Scheler – und lacht. Man braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass der schnauzbärtige Mann mit dem wettergegerbten Gesicht damit loslegen kann wie ein Pferdekutscher, wenn er mal Pech im Spiel hat.

Der 73-Jährige lernte das Spiel in der Nachkriegszeit, spielte im Verein, pausierte während seiner beruflichen Hochphase als Holztechniker und ist seit 20 Jahren wieder in unterschiedlichen Skatvereinen aktiv. 2010 hat er sich bei den Reizenden Jungs verdingt. Und als Teammitglied der fünfköpfigen Bundesligamannschaft hat er auf seine alten Tage zuletzt noch eine Menge Erfolge beim Kartenspiel verbuchen können: Die Reizenden Jungs sind in den vergangenen Jahren jede Saison aufgestiegen. „Ein sauberer Durchmarsch“, sagt Scheler und spielt damit auf die Spielart beim Skat an, bei einer Rammschrunde alle Stiche zu machen.

Nichts zu tun mit Kneipenskat

Aber der professionelle Liga- oder Turnierbetrieb ist nur ein Teil des Vereinslebens. Der andere spielt sich vor allem in den Donnerstagsrunden ab. Und mit klassischem Kneipenskat hat das, was hier passiert, herzlich wenig zu tun.

Das Dutzend Tische ist mit grünen Fliesmatten eingedeckt, überall liegen frisch verpackte Kartensets. So etwas wie einen Knick im Karo-9er, den in der Stammtischrunde jeder kennt, gibt’s hier nicht: Nach jeder Serie wird das Kartenset ausgewechselt, Hunderte davon landen im Jahr im Müll.

Und auch Palaver, während die Karten fliegen, ist ziemlich unerwünscht. Und dafür bleibt auch gar keine Zeit: 50 Runden werden in gerade einmal zwei Stunden geklopft – da bleibt wenig Zeit für Urlaubserzählungen.

Nettikette wird großgeschrieben

Während die Karten gemischt werden, kochen dagegen auch mal verbal die Gefühle hoch. „Emotionen gehören dazu – aber wer beleidigend wird, wird ermahnt. Oder sogar rausgeworfen“, erzählt Scheler. Da die Donnerstagsrunden auch für Hobbyspieler offen sind, ist es der Vereinsführung ein wichtiges Anliegen, dass schwächere Spieler geschützt werden. „Wir haben auch schon auf gute Spieler verzichtet, weil sie sich nicht benehmen konnten“, sagt der Vereinsvorsitzende Klaus Stelzer.

Diese Nettikette, die bei den Reizenden Jungs großgeschrieben wird und am Eingang aushängt, macht Stelzer dafür mitverantwortlich, dass sich die Zahl der Vereinsmitglieder entgegen dem Trend in der deutschen Skat-Szene entwickelt. „Wir sind immer mehr geworden – woanders werden es immer weniger, die Skat im Verein spielen“, sagt Stelzer.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Reizenden Jungs unter Problemen leiden, mit denen der Skatsport offensichtlich zu kämpfen hat. Um 19 Uhr füllt sich der Saal mit den Skatspielern der Donnerstagsrunde. Spielerinnen? Fehlanzeige. Immerhin, drei der 30 Vereinsmitglieder sind weiblich – wenn an diesem Donnerstag auch keine der Damen anwesend ist.

Kaum Frauen, kaum Migrationshintergrund

Migrationshintergrund? Noch mal Fehlanzeige. Und so sehr Stelzer ins Grübeln gerät, ihm fällt nur ein einziger Türke ein, der einmal von einem Hobbyspieler mitgebracht wurde.

Und auch das Durchschnittsalter kann durchaus als betagt bezeichnet werden. Alfred Gann ist ein relativ neues Vereinsmitglied. Laut Selbstauskunft spielt er eher auf Hobbyspielerniveau. Alter: 70.

Auf der Liste der Donnerstagsliga im Vereinsheim sind zwei Namen durchgestrichen. Einer der beiden Männer ist erst kürzlich verstorben. Für ihn legen die Skatspieler an diesem Abend eine Schweigeminute ein, bevor es losgeht.

Eine Quelle des Nachwuchsmangels dürfte das Internet sein. „Viele der jüngeren Spieler spielen lieber im Netz als im echten Leben, ist mein Eindruck“, sagt Stelzer. Dabei seien es gerade die Emotionen von Angesicht zu Angesicht, die den Reiz des Spiels ausmachten.

Niedrige Preisgelder

Albrecht Heyd, ebenfalls Stammspieler in der Bundesligamannschaft, ist einer von den vergleichsweise jüngeren Spielern, die das genauso sehen. Der 35-jährige Nachhilfelehrer aus Sonnenbühl auf der schwäbischen Alb hat Skat im Jugendalter im Tischtennisverein gelernt. Da ihm das Online-Spielen zu anonym war, suchte er in Vereinen nach Geselligkeit. „Auch in der Turnierszene findet man die“, sagt er.

Anders als bei anderen Spielen, bei denen die Kontrahenten ihre kognitiven Fähigkeiten messen, ist Skat selbst auf allerhöchstem Niveau keine Goldgrube. „Selbst Spieler wie Eddie Seferovic, die absolut Weltklasse sind, verdienen höchstens 2000 Euro damit im Monat“, sagt Stelzer. Der Weltmeistertitel ist mit 6000 Euro prämiert. Zum Vergleich: Bei den am höchsten dotierten Pokerturnieren können die Preisgelder in die Millionen gehen.