Thomas Kienle und der Verein Boost schauen in eine ungewisse Zukunft Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Skaterhalle in Bad Cannstatt muss womöglich in 14 Tagen schließen. Dem Verein, der die Halle betreibt, droht der Garaus: Er muss 13 000 Euro an Stromkosten nachzahlen.

Stuttgart - Richtig hübsch ist sie nicht, die alte Lagerhalle. Das Dach ist vielfach geflickt, trotzdem kämpfen sich immer wieder Regentropfen ins Innere, eine Heizung gibt es nicht, auch kein fließendes Wasser, ein Dixie-Klo dient als Toilette und drum herum erstreckt sich Brachland. Kurzum, es ist einer der Orte in Stuttgart, die bezahlbar sind, an denen man sich austoben kann. Und deshalb ist diese 700 Quadratmeter große Halle Heimat geworden für die Skateboarder Stuttgarts und der Umgebung, die sich seit gut 20 Jahren dort auf Rampen, Geländern und Schrägen versuchen können. Wie lange noch, das ist allerdings fraglich.

Unter Mühen hielt man in den vergangenen Jahren den Betrieb aufrecht, der Verein Boardrider Organisation, kurz Boost, hat 2002 den Betrieb übernommen, als der Skateboard-Laden Hall Eleven nicht mehr konnte und wollte. Die Miete von 3000 Euro im Monat war beim besten Willen nicht aufzubringen. Die Stadt als Eigentümer des Geländes und die Lorinser/Riester GbR als Vermieter zeigten sich kulant, der Verein sollte nur die Nebenkosten zahlen.

Allein, das hat er wohl nie gemacht. Sagt Ralf Knecht, Vorstand bei Boost und für die Finanzen zuständig. „Ausgemacht war wohl einmal, dass wir 66 Euro im Monat an Nebenkosten zahlen“, sagt er, „das haben wir aber nie getan.“ Nun kommt die Rechnung. Der Vermieter fordert, der Verein solle die rund 13 000 Euro Stromkosten der vergangenen vier Jahre begleichen. Richard Riester, auch Inhaber des benachbarten Geschäfts Die Optimale Küche sagt: „Wir haben das bisher immer beglichen, aber so geht das nicht mehr weiter.“ Man sehe die Not des Vereins und sei stets hilfreich gewesen, „14 Tage warten wir jetzt noch, aber wenn dann keine Lösung da ist, müssen wir etwas tun“. Sprich: „Den Stecker rausziehen!“

Aber wieso konnten sich die Kosten so aufhäufen? Riester: „Wir haben immer wieder versucht, den Verein auf das Problem aufmerksam zu machen.“ Aber alle zwei, drei Jahre hätte der Vorstand gewechselt, die Ansprechpartner seien nicht mehr da und erreichbar gewesen. Dass er nun Tabula rasa macht und die offenen Rechnungen beglichen werden sollen, hat wohl auch damit zu tun, dass das Gelände bis Ende 2016 geräumt wird: Dann will die Stadt dort Wohnungen bauen.

Ralf Knecht leugnet erst gar nicht, dass sich der Verein selbst in die Bredouille gebracht hat. „Der Verein hat grob fahrlässig gehandelt!“ Man habe diese Abrede vergessen, ganz nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“ Was in der Tat, so sagt Knecht, mit den wechselnden Verantwortlichen zu tun habe. Er selbst hat aus seinem privaten Vermögen 2000 Euro überwiesen. Gemeinsam mit Riester und dem Liegenschaftsamt will man nun eine Lösung suchen. Dass man etwa die Zahlung zeitlich streckt, also monatlich abstottert.

Die meisten der 100 Mitglieder sind Schüler und Studenten, können also nicht viel beisteuern. Deshalb versucht man nun, auf anderen Wegen an Geld zu kommen. Knechts Vorstandskollege Thomas Kienle sagt: „In den Skateshops der Stadt wird für uns gesammelt, wir haben ein Spendenkonto aufgemacht, wir wollen eine Crowd-Funding-Kampagne im Internet starten.“

Bekomme man so nicht genügend Geld beisammen, „muss der Verein Insolvenz anmelden“, sagt Kienle. Mit weitreichenden Folgen. Nicht nur, dass die Halle nicht mehr genutzt werden könne, weder zum Üben noch für die Skateboardkurse noch für die Kurse für die Flüchtlingskinder in der Nachbarschaft, die man schon ausgearbeitet und beworben hat. Plötzlich würde auch der Jugendhausgesellschaft der Partner wegbrechen: Neben dem Jugendhaus Cann am Cannstatter Bahnhof soll bis zum Jahresende eine neue Skaterhalle gebaut werden. Mit dem Verein Boost als Betreiber. Ob dieser Plan aufgeht? Gut, Skateboarder sind schwierige Manöver gewöhnt, doch ohne Hilfestellung der Stadt wird es kaum gehen. Von dort war jedoch am Montag keine Auskunft zu erhalten.