2022 war ein teures Jahr für viele Strom- und Gaskunden. Dieses Jahr bringen die Preisbremsen Entspannung. Und günstigere Alternativtarife gibt es auch wieder. Foto: dpa/Patrick Pleul

2022 sind viele Strom- und Gaskunden in die Grundversorgung geflüchtet. Die ist in Stuttgart günstig, in anderen Regionen aber nicht. Nun gibt es wieder Alternativen.

Sowohl die Gas- als auch die Strommarktpreise sind mittlerweile wieder deutlich unter die Rekorde vom Spätsommer 2022 gefallen. Aber kommt das beim Verbraucher an? Wir haben uns die Tarife für Haushaltskunden angesehen und mit Verbraucherschützern gesprochen: Was sollte man jetzt tun, und wie sehen die Tarife für Haushaltskunden aus?

Profitieren die Verbraucher schon von den gesunkenen Preise?

Dafür muss man unterscheiden zwischen laufenden Verträgen und neuen Vertragsangeboten. „Bei bestehenden Tarifen hat es schon immer lange gedauert, bis Preissenkungen ankamen“, sagt Matthias Bauer, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Aber im Großen und Ganzen hätten sich die Preise für Haushaltskunden wieder beruhigt, und die Angebote am Markt seien wieder realistischer. „Die überregionale Angebotsbreite hat wieder merklich zugenommen“, bestätigt eine Sprecherin des Preisportals Verivox. Und ein Sprecher des Konkurrenten Check 24 ergänzt: „Gerade bei alternativen Strom- und Gasanbietern, die traditionell eher kurzfristig einkaufen, sieht man, dass die Preise wieder an die Kunden weitergegeben werden.“ Wer vom gesunkenen Preisniveau profitieren will, muss im Zweifel also wechseln.

Und wie ist es mit den Grundversorgern?

„Da beobachten wir seit einigen Monaten deutschlandweit – aber auch innerhalb Baden-Württembergs – eine sehr große Spreizung“, sagt Bauer. Die EnBW, Grundversorger in weiten Teilen des Landes, berechnet für die Kilowattstunde derzeit 37,31 Cent. „Das ist ein sehr ordentlicher Preis“, so Bauer, „der noch unter dem Limit der Preisbremse für Strom liegt“, das auf 40 Cent pro Kilowattstunde festgelegt wurde. Die Stadtwerke Neuffen (Kreis Esslingen) hingegen verlangen für die Kilowattstunde Strom 92,183 Cent, also fast das Zweieinhalbfache. Beim Gas liegt die EnBW mit 13,54 Cent pro Kilowattstunde leicht über dem Limit der Preisbremse, das 12 Cent beträgt. Die Stadtwerke Altensteig (Kreis Calw) hingegen verlangen für die Kilowattstunde 33,54 Cent, was ebenfalls fast dem Zweieinhalbfachen der EnBW-Grundversorgung entspricht.

Wie hoch ist aktuell das Sparpotenzial?

Das hängt sehr vom Wohnort ab. Im momentan teuren Neuffen lassen sich bei einem für Familien typischen Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden Strom laut Verivox rund 2240 Euro gegenüber der Grundversorgung sparen. Im relativ günstigen Stuttgart liegt das Sparpotenzial im gleichen Beispielfall bei nur etwa 105 Euro. Bei Erdgas kann man in der Landeshauptstadt mit einem Wechsel die Rechnung einer vierköpfigen Familie mit 20 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch um knapp 380 Euro senken. In Altensteig sind es mehr als 4200 Euro. Das sind lediglich Beispiele. Natürlich ist das Sparpotenzial abhängig von den eigenen Vertragskonditionen, die im individuellen Fall zugrunde gelegt werden sollten.

Wer sollte einen Wechsel prüfen?

Dazu empfiehlt Bauer, zunächst den eigenen Vertrag zu prüfen. Wenn jetzt eine Möglichkeit zum Kündigen eines sehr teuren Vertrags besteht, der sich ansonsten über die Dauer der Preisbremsen hinaus verlängern würde, ist es unbedingt angeraten, einen Wechsel zu prüfen. Spätestens ab einem Strompreis von 50 Cent und mehr pro Kilowattstunde sollte man tätig werden, rät Bauer. Wie lange die Preisbremsen gelten, ist allerdings noch nicht klar. Zunächst wirken sie bis Ende 2023. Eine Verlängerung bis 30. April 2024 ist möglich. „Sollte die Preisbremse bis Ende April laufen und der eigene Vertrag gilt bis Ende 2024, wird der Kunde wohl die höheren Preise selbst zahlen müssen“, vermutet Bauer. Außerdem entlastet es den Staat und damit den Steuerzahler, wenn keine hohen Hilfen gezahlt werden müssen.

Wie geht man am besten vor?

„Ich würde vorsichtig bleiben und zunächst die Preise des örtlichen Grundversorgers prüfen“, rät Bauer. Wer im eigenen Ort Grundversorger ist, klärt eine kurze Google-Suche oder ein Anruf beim örtlichen Netzbetreiber. „Anschließend rate ich, bei benachbarten Grundversorgern“ – meist sind das Stadtwerke – „nach Angeboten für Kunden außerhalb des Grundversorgungsgebiets, nach sogenannten Sonderverträgen, zu fragen“, fährt er fort. Und schließlich sollte man noch auf Preisportalen nachsehen, wo die aktuellen Preise liegen, rät Bauer. Die Portale bieten in der Regel die Möglichkeit, einen Vergleichstarif auszuwählen und berechnen automatisch die Differenzen zu diesem. Wichtig: Boni sollten nicht einberechnet werden, und zudem sollte man das Häkchen bei „Direkte Wechselmöglichkeit“ (unter „weitere Filtereinstellungen“) herausnehmen.

Welche Aspekte sind besonders wichtig?

Zum einen sollte man auf eher kürzere Laufzeiten achten, so Bauer. Mehr als zwölf Monate sollten es nicht sein, wenn möglich weniger. Zum anderen sei eine Preisgarantie wichtig. Da er aber nicht glaube, dass demnächst Umlagen, Abgaben und Steuern stiegen, reiche es, wenn sich die Garantie auf Netzentgelte und Beschaffung beziehe.

Sind alle Angebote seriös?

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg registriert aktuell viele Beschwerden, berichtet Bauer: „Unseriöse Anbieter wie die Prima-Holding feiern wieder fröhliche Urständ.“ Anbieter unter Beobachtung seien Voxenergie, Primastrom, Paketsparer, Nowenergy sowie Maxximo Energie und Easyvolta. Die beiden letztgenannten gehörten der Firma Mivolta, die Geschäftsführer und Adresse mit Energy2day teile. Die ihrerseits betreibe die Marken Voltera und Sorglos Strom. Zu den Vorwürfen zählen benachteiligendes Geschäftsgebaren, untergeschobene Verträge und gesetzeswidrig kurzfristig mitgeteilte Preiserhöhungen. Gegen Primastrom und Voxenergie klagt der Bundesverband der Verbraucherzentralen aktuell, weil sie trotz Preisgarantie die Preise erhöht haben. Empfehlenswert ist bei allen Anbietern, sorgsam die Bewertungen auf den Portalen zu lesen.

Wie funktionieren die Preisbremsen?

Rechnerisch seit 1. Januar 2023 gelten sowohl bei Gas als auch bei Strom Preisbremsen. Mit ihnen deckelt der Staat die Preise für Kunden bei Strom auf 40 Cent pro Kilowattstunde und bei Gas auf 12 Cent pro Kilowattstunde. Grob gesagt subventioniert die Regierung auf diesem Niveau bis zu 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Für die restlichen 20 Prozent müssen die Kunden die vertraglich vereinbarten Preise berappen – egal, wie hoch diese liegen.