Bei seinem Frühlingskonzert „Jazz Up!“ legt das Sinfonieorchester Sindelfingen einen beeindruckenden Auftritt in der Stadthalle hin.
Irgendwie wirkte das Programm des jüngsten Konzertes des Sindelfinger Sinfonieorchesters wie ein Kommentar zur aktuellen Politik – etwa nach dem Motto: Amerika kann und klingt auch anders als Donald Trump. Aber: Ohne das gute alte Europa geht es dann doch nicht.
Das Konzert begann mit der Ouvertüre von Leonhard Bernsteins Musical „Candide“, das auf dem satirischen Roman „Candide oder der Optimismus“ des französischen Philosophen Voltaire basiert, der bekanntermaßen mit König Friedrich dem Großen von Preußen befreundet war. Voltaire: „Es gibt keine Freiheit unter den Menschen ohne die, seine Gedanken zu äußern.“ Das Stück mit viel Pfeffer hält für das Orchester erhebliche Herausforderungen bereit. Der Rhythmus wechselt unvorhergesehen, die Verschiebungen sind teilweise sogar übereinander gelagert. Man hatte unter der Dirigentin Christina Krebs offensichtlich gut geprobt.
Eine vergnügliche Begegnung war auch die Bekanntschaft mit der Sinfonie „5 1/2“ des amerikanischen Komponisten Don Gillis. Die vier Sätze entsprechen zwar dem klassischen Typus der Sinfonie, haben aber sonst wenig mit ihr gemeinsam. Sie mäandern augenzwinkernd zwischen Folklore und jazzigen Elementen hin und her. Auch hier kann man dem Orchester das Lob ausstellen, dass es die teilweise verzwickten Passagen natürlich nicht perfekt, aber erstaunlich souverän bewältigte und vermitteln konnte, das Musikhören einfach entspannten Spaß bedeuten kann.
Mit dem Pianisten Jonathan Hanke – zweitjüngster Sohn der Sindelfinger Musiker-Familie Hanke – betrat dann ein in der Region zu Recht bekannter und geschätzter Musiker das Podium. Er war der Solist in George Gershwins legendärer „Rhapsody in Blue“, die genau vor 100 Jahren ihre Uraufführung in New York erlebte und erst kurz zuvor fertigstellt worden war. Die Orchestrierung stammt nicht von Gershwin, sondern von dem US-amerikanischen Komponisten und Dirigenten Ferde Grofé. Gefürchtet ist – auch bei Profis – das Glissando der Soloklarinette zu Beginn. Es mindert keinesfalls die Leistung gerade der Bläser, dass es hier etwas holprig klang. Mutmaßlich hat Gershwin wegen der Zeitknappheit den Klavierpart zumindest teilweise improvisiert.
Auch der Solist des Abends fügte etliche eigene Improvisationselemente hinzu. Das war nicht immer glücklich, denn das vitale Stück überzeugt eigentlich durch seine geballte rhythmische und harmonische Energie, deren Schwung durch die eher intimen und langen Klaviersolopassagen von Hanke unterbrochen wurde. Vielleicht hat Jonathan Hanke ähnlich wie Gershwin improvisiert, denn in der Uraufführungskritik der New York Times hieß es: „Tuttis zu lang, Kadenzen zu lang.“ Klanglich war das Klavier in das Orchester integriert, was durchaus zum Stück passt. Das Publikum zeigte sich jedenfalls so begeistert, dass Hanke noch eine Improvisation als Zugabe spielte.
„Promenade“, „Jazz-Pizzicato“ und „Belle of the Ball“ heißen die drei Sätze des schwedischstämmigen amerikanischen Komponisten Leroy Anderson, die wie bei Bernstein und Gillis Elemente des Jazz und der Unterhaltungsmusik mit dem symphonischen Orchesterklang mischen – besonders apart der mittlere Pizzicatosatz, den das Orchester feinsinnig und schwungvoll realisierte. Zum Schluss erklang die sogenannte Suite für Jazzorchester von Dimitri Schostakowitsch, deren Original verschwunden ist und deren Rekonstruktion erst vor 20 Jahren in London uraufgeführt wurde. Die Musik hat mit Jazz relativ wenig zu tun, sondern spielt mit den Elementen von Varieté und Tanzmusik wie Marsch, Walzer und anderen populären Rhythmen.
Die Begeisterung des Publikums in der Stadthalle kannte an dem Abend keine Grenzen, denn das Orchester bewies in seiner kompakten und energievollen Art des Musizierens, dass es auch hohen Ansprüchen genügen kann. Als Zugabe erklang „Typewriter“ von Leroy Anderson, der das Getacker der damals mechanischen Schreibmaschine köstlich in Klänge umsetzte.