Ein Badener ist nun Chef im schwäbischen Mercedes-Benz-Werk. Aber Michal Bauer kennt Sindelfingen seit Kindertagen. Foto: factum/Weise

Michael Bauer, seit Oktober der neue Chef des Sindelfinger Mercedes-Benz-Werks, soll das Zukunftsbild für den Standort umsetzen. 2,1 Milliarden Euro investiert das Unternehmen dort in die Produktion und die Forschungsabteilung.

Sindelfingen - Modern, offen, sympathisch – so kommt der neue Chef des Sindelfinger Mercedes-Benz-Werks rüber. Beliebt war er offenbar auch an seinem früheren Wirkungsort, dem Daimler-Standort Ludwigsfelde. Zum Abschied schenkten ihm seine Mitarbeiter ein Luftbild des Werks, das sie alle unterzeichneten. Dutzende Unterschriften zieren das Bild, das nun in Bauers Sindelfinger Büro hängt. Dort empfängt er zum Interview.

Herr Bauer, seit Oktober sind Sie der neue Chef im Sindelfinger Werk. Wie gut kennen Sie es?
Vor 20 Jahren habe ich bei Mercedes-Benz in Rastatt angefangen. Der erste Projekteinsatz war aber in Sindelfingen. Und natürlich bin ich immer wieder mal dort gewesen. Nun habe ich in den vergangenen Monaten vor allem versucht, den Standort und das Werk noch besser kennenzulernen und mit möglichst vielen Mitarbeiter persönlich zu sprechen. Autobauen geht nur mit Menschen und einer hoch motivierten Mannschaft. Deshalb ist ein guter Draht zu den Mitarbeitern wichtig.
Was hat sich verändert, seit Sie das erste Mal in Sindelfingen waren?
Das Werk ist gewachsen, größer und komplexer geworden. Sindelfingen ist der weltweit größte Standort mit rund 37 000 Mitarbeitern. Hier am Standort ist nicht nur das Werk. Es befinden sich unter anderem auch Zentralfunktionen wie die Forschung und Entwicklung, das Design und auch der Einkauf von Mercedes-Benz Cars.
Warum hat man Sie zum Chef dieses bedeutenden Werks gemacht? Was zeichnet Sie dafür aus?
Das müssen Sie andere fragen. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich schon alles gemacht habe: Nach meinem Studienabschluss als Diplom-Wirtschaftsingenieur habe im Mercedes-Benz-Werk Rastatt in der Logistikplanung begonnen. Später folgten verschiedene Führungspositionen in der Montage und Produktionsplanung der damaligen A- und B-Klasse. In den vergangenen drei Jahren war ich als Geschäftsführer für das Transporter-Werk in Ludwigsfelde verantwortlich gewesen.
Ihr Vorgänger, Willi Reiss, war Werksleiter. Sie sind jetzt Standortverantwortlicher. Haben Sie andere Funktionen?
Meine Aufgaben sind genau die gleichen wie die von Herr Reiss. Ich bin verantwortlich für die Produktion. Sindelfingen ist das Kompetenzzentrum für Fahrzeuge der Ober- und Luxusklasse. Zudem repräsentiere ich den Standort und bin in Kontakt mit Politik, Wirtschaft und verschiedenen Interessengruppen. Zu meinen wichtigsten Aufgaben gehört nun die Umsetzung Zukunftsbilds, das wir im Sommer 2014 gemeinsam mit dem Betriebsrat vereinbart haben. Wir investieren bis zum Jahr 2020 rund 1,5 Milliarden Euro in das Werk und stellen es auf ein neues Fundament. Weitere 600 Millionen Euro fließen in die Forschung und Entwicklung. Diese Investitionen sind ein klares Bekenntnis zum Standort. Wir sichern damit die Beschäftigung.
Die Frage ist: wie viel Gestaltungsspielraum haben Sie? Oder wird nicht alles von der Konzernspitze aus dirigiert?
Das Zukunftsbild ist ja schon 2014 vereinbart worden und steht damit. Bei der Umsetzung gibt es aber noch jede Menge Ausgestaltungsraum.
Was steht aktuell auf Ihrem Arbeitsplan?
Im Moment geht es um den Anlauf der E-Klasse. Die E-Klasse wird seit 1946 in Sindelfingen produziert. Seither sind 13 Millionen Limousinen und T-Modelle verkauft worden. Mit der intelligentesten Business- Limousine setzen wir ganz neue Standards bei Sicherheit und autonomem Fahren. Parallel dazu fahren wir die Produktion des S-Klasse- Cabrios hoch.
Ist der Bau von Luxuslimousinen noch zeitgemäß? Sind jetzt nicht umweltfreundliche Autos gefragt?
Groß ist ja nicht gleichbedeutend mit hohem Verbrauch. Bei jeder neuen Fahrzeuggeneration senken wir Verbrauch und Emission deutlich. 2017 werden insgesamt zehn mit Plug-in-Hybrid-Modelle von Mercedes-Benz auf dem Markt sein.
Stadt und Werk sind eng miteinander verknüpft. Haben Sie schon Kontakt zur Verwaltung aufgenommen?
Selbstverständlich. Ich habe mehrfach den Oberbürgermeister Bernd Vöhringer getroffen. Und natürlich arbeiten wir sehr eng mit der Stadt zusammen, was unsere vielen Bautätigkeiten betrifft. Die Stadt ist nichts ohne das Werk und das Werk nichts ohne die Stadt.
Ein heikles Thema ist dabei die Gewerbesteuer, an deren Tropf die Stadt hängt. Wenn diese ausbleibt oder sogar zurückgezahlt werden muss, führt das zu großen Problemen im städtischen Etat.
Das ist mir bekannt.
Wie sieht es in diesem Jahr aus? Wie viel Gewerbesteuer wird Daimler zahlen?
Wir tun unser Bestes, um ein gutes Ergebnis zu liefern.
Nun fordern immer wieder Bürger, Stadträte und der Oberbürgermeister, dass sich das Werk stärker engagieren soll – als Sponsor für soziale und kulturelle Projekte.
Wir tun ja schon ganz viel. Denken Sie an die Zusammenarbeit mit der Galerie und unsere große Design-Ausstellung, die kürzlich zu Ende ging und alle Besucherrekorde gebrochen hat. Oder den jährlichen Werk-stadt-Lauf. Wir arbeiten auch eng mit der Bürgerstiftung zusammen. Und im vergangenen Jubiläumsjahr gab es besonders viele Aktivitäten.
Wohnen Sie in Sindelfingen?
Ich wohne mit meiner Familie im Kreis Rastatt. Sindelfingen kenne ich aus Kindertagen, weil ich häufig bei einer Großtante zu Besuch war. Von dort hatte ich einen freien Blick auf das Mercedes-Werk. Dass ich nun den Standort verantworte, kann ich immer noch nicht richtig fassen.
Sind Sie ein typischer Daimler-Mitarbeiter mit Familientradition?
Tatsächlich war in meiner Familie niemand beim Daimler. Für mich war das immer ein großer Traum. Und alle haben gesagt: Ohne Verwandte kommst Du da nicht rein. Nach meinem Studium habe ich dann eine Initiativbewerbung geschickt, wurde eingeladen und 14 Tage später habe ich bei Mercedes-Benz angefangen. Da ging mein Traum in Erfüllung.