Die Lastwagenfahrer haben auch in der Hochphase der Corona-Krise den Nachschub an Nudeln und Klopapier gesichert. Dafür erhalten sie ein kleines Präsent. Foto: factum/Simon Granville

Die Aktiven der Helfen-statt-Hamstern-Initiative verteilen an der Tank- und Rastanlage Sindelfinger Wald an der Autobahn Geschenke an gestresste Lastwagenfahrer.

Sindelfingen - Selten war das Leben von Lastwagenfahrern anstrengender als momentan. „Die stehen teilweise bis zu 60 Stunden an der Grenze“, sagt Siggy Barth, Chef der Kinderfilmakademie Sim TV. Das weiß er von seinem Schwager, der als Trucker zwischen Polen, Rumänien und Deutschland unterwegs ist. An den wegen Corona geschlossenen Grenzen stauen sich die Lastwagen und Transporter.

Wenn die Fahrer es dann endlich geschafft haben und auf der anderen Seite eine Pause machen möchten, ist es auch da schwierig. „Viele Rastanlagen haben ihren Sanitärbereich wegen Corona geschlossen. Die Fahrer können nicht einmal duschen“, berichtet Barth. Um den gestressten Truckern ein wenig Erfrischung zu ermöglichen, haben sieben junge Leute am Freitagnachmittag an der Rast- und Tankanlage Sindelfinger Wald Päckchen an die Lastwagenfahrer verteilt. Mit Zahnbürste und -pasta, einem Rasierset, Einmalwaschlappen sowie Reinigungslotionen waren die Säckchen gefüllt.

400 Helfer im Einsatz

Adam Zieba nimmt das Päckchen erfreut entgegen. Der polnische Fahrer ist unterwegs nach Dettingen/Erms, um Papier zu laden. „Zahnbürste und Zahnpasta kann ich gut gebrauchen“, sagt er und verschwindet gleich in der Rastanlage. Am Sindelfinger Wald kann man immerhin das Bad benutzen.

Organisiert wird die Hilfsaktion von der Helfen-statt-Hamstern-Initiative, die einige Sindelfinger vor zwei Monaten, zu Beginn der Corona-Krise, gegründet haben. „Anfangs ging es vor allem darum, älteren Menschen und Risikopatienten mit Einkäufen und Besorgungen zu unterstützen“, sagt Max Reinhardt, einer der Gründer. „Doch das läuft jetzt quasi von alleine.“ Etwa 400 Helfer seien registriert, die für Senioren in Sindelfingen einkaufen, Medikamente aus der Apotheke holen oder auch mal mit dem Hund rausgehen. „Während der Hochphase haben wir etwa 80 Personen unterstützt, jetzt werden es weniger.“

Also haben die Helfer sich neue Aufgaben gesucht und Danksagungs-Aktionen gestartet. Pflegekräfte der Sindelfinger Klinik beschenkten sie mit Pizza, Erzieherinnen der städtischen Notbetreuung mit Eis. Und nun die Lastwagenfahrer. „Immerhin haben die uns die ganze Zeit unser Klopapier gebracht“, sagt Siggy Barth. Er und Reinhardt gehören mit Jens Musleh und Dominik Ernst zum Kernteam der Helfen-statt-Hamstern- Initiative.

Die Kinderfilmakademie wird zur Schaltzentrale der Helfer

„Wir steckten mitten in einer Filmproduktion, als die Corona-Krise begann“ berichtet Barth. Nachdem das Drehen verboten war, beschlossen die Medienmacher, sich als Helfer zu engagieren. Nun dient die Kinderfilmakademie Sim TV in der ehemaligen Eschenriedschule den Aktiven der Initiative als Basis und Büro. Überwiegend junge Leute und einige mittelalte engagieren sich im Bündnis. Sie kommen aus allen möglichen Gruppierungen, einige – wie Reinhardt, Ernst und Samet Mutlu – sind politisch aktiv, andere wollen einfach nur helfen.

Trotz der zunehmenden Lockerungen sei ihre Hilfe weiter gefragt, sagt Max Reinhardt. „Es haben sich mittlerweile feste Helfer-Bedürftigen-Teams gefunden. Viele kaufen regelmäßig für dieselben Leute ein.“ Auch für eine eventuelle zweite Corona-Welle sei man gerüstet. „Das Netzwerk ist da.“ Die Helfer hoffen, dass dieser Geist auch in die Nach-Corona-Zeit hineinstrahlt.