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Das Sindelfinger Werk erhält von Bremen den Roadster SL als Kompensation. Die Arbeitsplätze sollen erhalten werden.

Stuttgart - Der Vorstand der Daimler AG hat beschlossen, die C-Klasse nicht mehr in Sindelfingen sondern in Bremen, USA, Südafrika und China zu bauen. Damit würden die Wachstumschancen des Konzerns erhöht und die Beschäftigung gesichert, lautet seine Begründung.

Die nächste Generation der C-Klasse, die 2014 auf den Markt kommen soll, wird nicht mehr in Sindelfingen vom Band laufen. Der Vorstand beschloss, die Fertigung nach Bremen und ins US-Werk nach Tuscaloosa zu verlagern. Zudem wird die Produktion des Modells in China ausgeweitet und jene in Südafrika erhalten.

Was sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche?

"Wir wissen um die große emotionale Bedeutung der C-Klasse für die Mitarbeiter in Sindelfingen und wir anerkennen die hervorragende Leistung, die die Mannschaft dort jeden Tag erbringt. Wir haben uns deshalb diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Dieser Schritt ist aber aus strategisch-wirtschaftlicher Sicht unabdingbar, damit wir mit Mercedes-Benz wettbewerbsfähig bleiben und die Wachstumschancen nutzen können", ließ sich der Konzernchef zitieren.

Wie begründet der Vorstand die Verlagerung?

Ziel sei es, stärker von den Wachstumschancen am US-Markt profitieren zu können, und sich von den Wechselkursrisiken zu befreien, die der starke Euro mit sich bringt. Mercedes-Produktionsvorstand Rainer Schmückle wies jegliche Spekulationsmotive zurück: Derjenige, der Autos in Deutschland baue und sie nach USA verkaufe, spekuliere auf die Dollar-Entwicklung. Wer seine Autos aber in den USA baue und sie dort verkaufe, spekuliere nicht. Bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung sei ein "konservativer" Wechselkurs von 1,25 Dollar je Euro zugrunde gelegt worden. Derzeit steht der Kurs jedoch bei knapp 1,51 Dollar je Euro.

Was spart Daimler?

Schmückle rechnete vor, dass sich durch die Verlagerung nach USA pro Fahrzeug etwa 2000 Euro einsparen ließen. Wesentlicher Faktoren seien hier die Arbeitszeit und die Löhne. Während in Sindelfingen jeder Mitarbeiter 1350 Nettoarbeitsstunden pro Jahr leiste, komme der US-Kollege auf 1800 Stunden. Zudem erhält der Mitarbeiter in den USA umgerechnet etwa 24 Euro weniger Lohn. Außerdem spare der Konzern die Einfuhrzölle, und die Kosten für die Logistik seien deutlich geringer. Die C-Klasse-Limousine ist bereits das meistverkaufte Modell von Mercedes-Benz auf dem US-Markt. Schmückle erläuterte, mit der Entscheidung reagiere das Unternehmen auch auf die sich weiter öffnende Schere zwischen Produktion und Absatz. Derzeit würden 80 Prozent der Mercedes-Fahrzeuge in Westeuropa gebaut, aber weniger als 60 Prozent auch dort verkauft. Diese Relation werde sich weiter verschlechtern, so Schmückle.

Wie wirkt sich die Entscheidung auf die Produktion aus?

In Sindelfingen werden 660 C-Klasse-Limousinen gebaut. Von 2014 an, wird diese Fertigung wegfallen und nach Bremen und Tuscaloosa verlagert. Nach den Plänen des Vorstands wird sich die Produktion derart aufteilen, dass 60 Prozent der C-Klasse-Modelle in Bremen, 20 Prozent in Tuscaloosa sowie jeweils 10 Prozent in Südafrika und in China gebaut werden. Mit allen Modellvarianten wird Bremen demnach 1250 C-Klasse-Fahrzeuge pro Tag herstellen.

Was ändert sich in Sindelfingen?

Als Kompensation soll die Montage des Roadsters SL von Bremen nach Sindelfingen verlegt werden. Die Fertigung der Rohkarosserie und die Lackierarbeiten verbleiben jedoch in Bremen. Vom Sportwagen werden 100 Fahrzeuge pro Tag gebaut. Der Beschäftigungseffekt für Sindelfingen dürfte sich deshalb in Grenzen halten. Schmückle erläuterte, eine komplette Verlagerung der SL-Klasse sei produktionstechnisch nicht sinnvoll gewesen. Weil dadurch zusätzliche Frachtkosten anfallen, sei diese Entscheidung kostentechnisch "nicht besonders wirtschaftlich", aus beschäftigungstechnischer Sicht aber "akzeptabel". Bei der darauf folgender Generation des SL-Roadsters könne die Entscheidung wieder anders aussehen, deutete Schmückle an.

Was wird in Tuscaloosa produziert?

Dort werden bereits die R-, M- und die GL-Klasse gebaut. Kapazitäten im US-Werk sind vorhanden. Trotzdem muss die Produktionslinie neu aufgebaut und die Werkzeuge dafür hergestellt werden. Die Motoren für die in den USA gebauten C-Klassen werden weiter in Deutschland hergestellt. Ein Motorenwerk in den USA werde es nicht geben, sagte Schmückle. Wegen des kompakten Ladevolumen, fallen die Frachtkosten für Aggregate deutlich niedriger aus als für Fahrzeuge. Auch BMW fertigt im US-Werk keine Motoren.

Was ist mit den Arbeitsplätzen im Konzern?

Personalvorstand Wilfried Porth betonte, es werde durch die Verlagerung zu keinem Stellenabbau kommen - weder in Sindelfingen noch in Bremen. Durch das in Bremen aufgestockte Produktionsvolumen um 20 Prozent sei dort die Beschäftigung für die Mitarbeiter langfristig gesichert, erläuterte er.

Was ist mit Arbeitsplätzen in Sindelfingen?

Für Sindelfingen gebe es bereits ein schlüssiges Personalkonzept, sagte Porth. Darüber soll von der kommenden Woche an mit dem Betriebsrat verhandelt werden. Nach Angaben des Vorstands sind in Sindelfingen 1800 Mitarbeiter von der Verlagerung der C-Klasse betroffen. Im Rahmen verschiedener Maßnahmen werde diesen Mitarbeitern "attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten" angeboten", so Porth. "Wir sind überzeugt, dass unser Konzept die Voraussetzungen für eine stabile Beschäftigung in Sindelfingen erfüllt und die hochqualifizierten Mitarbeiter auch die neuen Aufgaben übernehmen können", ergänzte er. In die Planung sei die natürliche Fluktuation eingerechnet, sagte Porth. Von welcher Größenordnung der Konzern ausgehe, sagte er nicht. Zuletzt war die Rede von jährlich 500 bis 1000 Mitarbeitern, die den Konzern freiwillig verlassen haben.

Wie geht es Sindelfingen weiter?

Das Werk Sindelfingen soll als zentraler Technologie- und Forschungsstandort von Mercedes-Benz Cars sowie als weltweites Kompetenzzentrum für die Produktion von Fahrzeugen der Ober- und Luxusklasse, zunehmend auch mit alternativen Antrieben, gestärkt werden. Porth gab jedoch zu, dass sich dies nicht direkt auf die Beschäftigung auswirken werde.

Was ist mit den Jobs in Amerika?

Durch den Bau der C-Klasse soll die Belegschaft in Tuscaloosa von 2800 auf etwa 4000 Mitarbeiter aufgestockt werden.

Was passiert mit den deutschen Zulieferer?

Die Aufträge für die Komponenten der neuen C-Klasse, seien noch nicht vergeben worden, erläuterte Schmückle. Ein beträchtliches Volumen werde jedoch an US-Firmen vergeben, deutete Schmückle an. Hier habe Mercedes-Benz bereits bei der Produktion der M-Klasse gute Erfahrungen gemacht. Zudem sei es wichtig, im Premiumbereich, den Zulieferern in den USA größere Volumina bieten zu können, sagte Schmückle. Grundsätzlich gilt, je mehr Komponenten eines Fahrzeugs in der lokalen Währung eingekauft werden könnten, desto kleiner werden potenzielle Wechselkursrisiken. Große deutsche Zulieferer wie Bosch, ZF oder Brose sind auch in Nordamerika vertreten und können die Automobilproduktion von dort beliefern. Kleinere Zulieferer können es sich nicht leisten, in die USA zu folgen.