Der Projektleiter Joachim Dörner und seine Mitarbeiterin Selina Foss inspizieren die Tunneltechnik. Die Schaltungen in der Betriebszentrale überwacht Thierry Baumann. Foto: factum/Weise

Rund hundert Tage bleiben noch, wenn die Nordumfahrung Darmsheim wie geplant im Mai in Betrieb gehen soll. Die Testphase beginnt im April mit einer Brandschutzübung. Wie rasch die Arbeiten vorangehen, hängt von den Temperaturen ab – ein Besuch vor Ort.

Sindelfingen - Vor dem Ostportal des Darmsheimer Tunnels türmen sich aufgeschüttete Erdhügel. Etwa zweihundert Meter entfernt klafft ein Loch von rund 80 Metern Länge und 30 Metern Breite. „Hier wird das Wasserrückhaltebecken gebaut“, erklärt Joachim Dörner, der Projektleiter des Bauvorhabens in Diensten des Stuttgarter Regierungspräsidiums, wo alles geplant wurde. Seit den ersten Aushubarbeiten Anfang 2014 gilt das Ziel, die neue Straßenverbindung mit dem Tunnel im Mai dieses Jahres fertigzustellen.

High Tech im Tunnel

Aber nach einem Endspurt sieht es auf den ersten Blick nicht aus. Im Tunnel ist an diesem späten Vormittag kaum ein Arbeiter zu sehen. „Bei weniger als Null Grad Celsius wird es problematisch, die Kabel zu verlegen“ erläutert Selina Foss, die stellvertretende Projektleiterin. Sie werden durch die Kälte starr. Die Elektroleitungen werden gebraucht, um die gesamte Tunneltechnik in Gang zu setzen: Die LED-Lampen, elf Lautsprecher, zwei Notrufnischen und vier Ventilatoren, die ebenfalls schon installiert sind und bei Stau oder einem Brand für die Luftzirkulation sorgen.

In Betrieb gehen sollen auch drei Sichttrübungsmessgeräte, ein Kohlenmonoxid-Sensor, acht Videokameras im Haupt- und fünf im Rettungsstollen, der in der Mitte des 460 Meter langen Tunnels beginnt und parallel zur Hauptröhre in Richtung Westportal führt. Fünf Überwachungskameras gibt es außen an den Portalen. Dort werden auch Anzeigetafeln und Verkehrsampeln montiert. Normalerweise gilt im Tunnel Tempo 80, bei stockendem Verkehr wird auf Tempo 60 reduziert. Die Tunneltechnik wird über die Betriebszentrale geschaltet, die sich in einem Neubau vor dem Ostportal befindet. „Vorsicht Spannung“ steht dort an den Sicherungsschränken, an dem sich Elektriker zu schaffen machen. Darin befindet sich quasi das elektronische Hirn der Anlage, das an die Leitstelle in Böblingen meldet, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist. Diese befindet sich in der Feuerwache, wo die Einsätze koordiniert werden mit der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst.

60 Kilometer Kabel verlegt

Etwas durchgefroren greift Thierry Baumann, der Bauleiter des Elektrounternehmens Dürr Group und Spezialist für digitale Tunnel- und Verkehrstechnik, im Büro von Joachim Dörner zu einer warmen Tasse Kaffee. Auch er muss bei dieser Witterung einmal eine Pause einlegen. „Wir haben insgesamt 88 Kilometer Kabel zu verlegen“, sagt Baumman, bisher habe man 60 Kilometer geschafft. Der Arbeitstag beginne um 7 und ende um 18 Uhr. Eine Elektro-Truppe arbeite stets zehn Tage hintereinander, auch am Wochenende: Jeweils fünf Kabelzieher und acht Monteure. Danach rücke die nächste Mannschaft an.

„Es wird mit Hochdruck gearbeitet. Auch wenn es für Sie heute Vormittag nicht unbedingt danach aussieht“, sagt Dörner. Der Endspurt komme jetzt. Zumal am 12. April die erste Brandschutzübung mit der Feuerwehr anstehe, bei der ein Einsatz geprobt werde. Auch der nächste Termin der Testphase stehe nun bereits fest: der 21. April mit einer Hauptübung, bei der auch die Technik auf den Prüfstand kommt.

Videoüberwachung in der Leitstelle

In der Hauptröhre brennen an der Decke die ersten Lampen. Die Fahrbahndecke und der Gehweg links und rechts sind fertig. Auch der Rettungstollen ist bereits etwas illuminiert, die Fluchttür angebracht. An ihr befinden sich Sensoren. Wer sie öffnet, wird von einer Kamera gefilmt, ein Signal meldet den Vorgang in die Leitstelle, wo die Mitarbeiter alles per Video verfolgen können. „Auch die Notrufnischen werden auf diese Weise elektronisch überwacht“, ergänzt Selina Foss.

Laut Foss sind die Straßenbauarbeiten weit fortgeschritten. Es fehlten nur noch die Anschlussstücke am Ost- wie am Westportal. „Wir liegen im Zeit- wie auch im Kostenplan“, versichert Dörner. Rund 32 Millionen Euro soll die Nordumfahrung samt Tunnel kosten. Und rechtzeitig fertig werden soll das Ganze auch. Unter Druck setzen lassen sich Dörner und Foss aber nicht. Natürlich peilen sie den Mai für die Eröffnung an. „Es kann aber auch Juni werden“, sagen die beiden.

Tunnel schlängelt sich von Ost nach West

Bauarbeiten
: Der erste Spatenstich für die Umfahrung war im Jahr 2010. Das Land, das für das Vorhaben aufkommen muss, verhängte dann wegen Etatproblemen bis Oktober 2013 einen Baustopp. Nach Aushubarbeiten wurde mit den Sprengungen für den Tunnel im Mai 2015 begonnen. Die Rohbauarbeiten waren aufwendig, weil sich der Tunnel von Ost nach West schlängelt, es einen Höhenunterschied von 14 Metern gibt und sich die Fahrbahn im Wechsel um bis zu sechs Grad nach links und rechts neigt. Die Fugen zwischen den Betonblöcken im Tunnel mussten angepasst werden.

Wasserversorgung:
Im Fall eines Brands stehen den Einsatzkräften der Feuerwehr drei Hydranten und ein Löschwasserbecken mit 70 000 Litern zur Verfügung.

Tunnel und Straße
: Die 460 Meter lange Hauptröhre ist 11,80 Meter breit und 8,30 Meter hoch, der 230 Meter lange Rettungstollen 2,50 Meter breit und drei Meter hoch. Die Straßenanschlüsse haben eine Länge von 1,6 Kilometer.

Verkehr
: Die Umfahrung wird zur Entlastung vor allem des Ortskerns von Darmsheim gebaut, wo täglich rund 14 000 Fahrzeuge gezählt werden.