Prägend für das Stadtbild: Der Goldbergturm in Sindelfingen Foto: factum/Granville

Als Wasserspeicher hat der Turm ausgedient, die Stadtwerke würden ihn am liebsten verkaufen. Nun sorgt Bernd Vöhringer für Aufregung: Sindelfingens Oberbürgermeister träumt von einem Café im Goldbergturm.

Sindelfingen - Der Oberbürgermeister hat sich vom Stuttgarter Fernsehturm beflügeln lassen: Bernd Vöhringer träumt schon länger davon, das Café im Goldbergturm wieder zu eröffnen – jetzt ist in seinem Auftrag ein Brandschutzgutachten erstellt worden. Das Café war vor 15 Jahren geschlossen worden, nachdem bei einem Feuer im Moskauer Fernsehturm zwei Menschen gestorben waren.

Auch in Stuttgart ist ein mangelhafter Brandschutz der Auslöser für die Schließung des Wahrzeichens gewesen. Doch spätestens an Weihnachten darf es wieder betreten werden. „Dadurch, dass für den Fernsehturm eine Lösung gefunden wurde, hat die Idee eine neue Dynamik erhalten“, heißt es aus dem Sindelfinger Rathaus. Als „ortsbildprägendes Identifikationsmerkmal“ bezeichnet der Oberbürgermeister das Bauwerk. Er selbst hat das Café mehrfach besucht.

Während in der Landeshauptstadt 1,8 Millionen Euro für die Sanierung fällig waren, wäre der Brandschutz für den Goldbergturm für eine halbe Million Euro zu haben.

Problem: der zweite Fluchtweg fehlt

„Die Problematik ist ähnlich wie beim Fernsehturm, der zweite Fluchtweg fehlt“, erklärt Uwe Malach von den Stadtwerken. Im Schaft gibt es einen Aufzug und eine zu schmale Wendeltreppe. Wenn das dortige Rohrsystem nicht mehr gebraucht würde, gäbe es Platz für den vorgeschriebenen Brandschutz.

Denn als Wasserspeicher ist der Goldbergturm ein Auslaufmodell. Als er gebaut wurde, gingen die Planer von steigenden Wassermengen aus. Tatsächlich werden mittlerweile statt der anvisierten acht Millionen Kubikmeter Wasser nur vier Millionen gebraucht. Die Stadtwerke wollen ihr Netz entsprechend anpassen - und sich den Goldbergturm langfristig sparen.

„Es ist ein kostenintensives Bauwerk“, sagt Uwe Malach. Momentan müssen die Stadtwerke 900 000 Euro allein in dessen äußeres Erscheinungsbild stecken. Im August soll mit der Sanierung des undichten Daches begonnen werden, im kommenden Frühjahr wird der 53 Meter hohe Turm eingerüstet, um die Fassade zu erneuern.

„Der Beton ist so porös, dass er bröckeln könnte"

„Es besteht Handlungsbedarf“, sagt der technische Bereichsleiter, der Beton ist so porös, dass er bröckeln könnte, er ist eine Gefahr für Passanten. Ins Innere, wo noch 400 Kubikmeter Wasser stehen, wird dagegen nichts investiert, weil das Wassernetz in vier bis sechs Jahren so ertüchtigt sein soll, dass der Speicher auf dem Goldberg überflüssig ist.

Wäre dies schon jetzt der Fall, hätte auch ein Abriss des Bauwerks zur Debatte stehen können. Eine Sprengung wäre wegen der angrenzenden Wohnbebauung zwar nicht möglich. „Aber man könnte ihn sukzessive abtragen“, sagt Uwe Malach. Diese Lösung möge kurzfristig teuer sein, könne sich dafür langfristig lohnen.

Dass solche Gedanken nur reine Theorie sind, ist dem Stadtwerke-Prokuristen spätestens jetzt klar geworden. Immerhin ist es der Wunsch des Stadtoberhaupts, den Turm als Café und Aussichtsplattform zu reaktivieren.

„Es hängen viele Emotionen daran“

Diverse Anwohner haben gegenüber Uwe Malach ebenfalls ihre Anhänglichkeit an das „Identifikationsmerkmal“ betont. „Es hängen viele Emotionen daran“, weiß er. Zwischen 1963 und dem Jahr 2000 wurden dort oben einige Feste gefeiert. Das Interesse am Turm hat sich zuletzt vor vier Jahren gezeigt, als er geöffnet wurde und die Besucher Schlange standen. Aufgrund des baulichen Zustands seien solche Begehungen reduziert worden, erklärt er.

Überhaupt ist es ein weiter Weg zur Inbetriebnahme des Goldbergturms als Ausflugsziel. Die halbe Million Euro für den Brandschutz müsste noch um einen weiteren sechsstelligen Betrag für neue Fenster, eine Heizung und die Renovierung des Innenraums ergänzt werden. Laut dem Gutachten ließe sich der Gastraum für 42 Personen auslegen.

Pläne erst in einigen Jahren umsetzbar

„Jetzt hat man eine Größenordnung“, sagt Uwe Malach über das Ziel des Gutachtens. Umsetzbar wären die Pläne sowieso erst in ein paar Jahren, wenn der Wasserspeicher ausgedient hat. Wirtschaftlich lässt sich ein so kleiner Gewerbebereich nicht betreiben. „Es ist ein Subventionsgeschäft“, sagt der Prokurist.

Die Stadtwerke wollen das nicht übernehmen. Auch die spätestens alle 25 Jahre anstehende Betonsanierung ist der städtischen Tochtergesellschaft auf Dauer zu viel. „Wir sind ein Unternehmen, das wirtschaftlich arbeiten muss“, sagt Uwe Malach. Die Stadtwerke würden den Goldbergturm deshalb eines Tages gerne verkaufen oder einfach in andere Hände abgeben.

Interessenten hätten sich bisher noch nicht gemeldet, fügt er an. Möglicherweise findet der Oberbürgermeister einen Sponsor für seine hochfliegenden Pläne, das Turm-Café in rund 50 Metern Höhe wieder zu eröffnen. „Es ist definitiv nichts, was zeitnah umgesetzt werden kann“, erklärt seine Sprecherin, Nadine Izquierdo.

Hintergrund: Türme und Gastronomie - ein Trend aus den 1960er und 1970er Jahren

Hintergrund: Türme und Gastronomie - ein Trend aus den 1960er und 1970er Jahren

Wasserspeicher: Ein Dutzend Wassertürme stehen im Landkreis Böblingen. Für Besucher geöffnet sind nur zwei davon. Der 1928 in Leonberg erbaute Engelbergturm dient bereits seit 1953 nur noch als Ausflugsziel. In fast 35 Metern Höhe ist eine exzellente Sicht über die Stadt sowie das Stroh- und das Heckengäu geboten.

Der im selben Jahr erbaute, 31 Meter hohe Wasserturm beim Böblinger Krankenhaus kann ebenfalls erklommen werden. Von oben gibt es einen Überblick über die Stadt – allerdings nur im Rahmen einer Führung (0 70 31 / 27 37 56).

Gastronomie: Restaurants und Cafés in luftiger Höhe sind in Deutschland selten geworden. Dabei war es in den 1960er und 1970er Jahre in Mode, drehende Restaurants in Fernsehtürme einzubauen. Im Berliner Fernsehturm, auf dem Rheinturm in Düsseldorf und dem Olympiaturm in München lässt sich noch speisen, während sich die Gäste einmal im Kreis über der Stadt drehen.

Leerstand: In vielen Städten sind die Fernsehtürme nur von außen zu bewundern. Im Frankfurter Europaturm, wo in der Kanzel eine Discothek und ein Restaurant betrieben wurden, spielt schon seit 1999 keine Musik mehr. Mit einem Millionenaufwand hätte der Brandschutz verbessert werden müssen.

Auch auf dem Kölner Fernmeldeturm Colonius ist seit 1999 nichts mehr los, für das Drehrestaurant samt Discothek fand sich kein Pächter mehr. Im Fall des seit 2001 geschlossenen Heinrich-Hertz-Turms im Hamburger Stadtteil St. Pauli, wäre ein zweistelliger Millionenbetrag fällig, um ihn zu öffnen. Im Nürnberger Fernmeldeturm sind sowohl Drehrestaurant als auch Aussichtsfläche seit 1991 verlassen.