Das Lager der Kampfmittelbeseitiger ist voll mit Munition, die vernichtet werden muss. Zum Transport des explosiven Guts hat Ralf Vendel ein neues Fahrzeug. Foto: factum/Granville

Fast 800 Mal mussten die Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in Baden-Württemberg in diesem Jahr bereits ausrücken, um Bomben, Granaten oder andere Munition zu bergen und abzutransportieren. Dafür erhielten sie nun einen neuen Lastwagen mit Sonderausstattung.

Sindelfingen - Gerade einmal ein paar Tage ist es her, dass es richtig brenzlig wurde für Ralf Vendel. „Wir wurden von einem privaten Räumdienst alarmiert, der einen Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) freiräumt. Dort stieß man auf Phosphor“, berichtete der Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg, der seinen Sitz im Sindelfinger Wald hat am Mittwoch. Heikel sei die Situation gewesen, weil es sehr warm gewesen sei. „Wir hatten mehr als 20 Grad Celsius, bei spätestens 18 Grad beginnt Phosphor zu brennen.“ Vendel entschied, die Bergung zu verschieben. „Wir haben dann bis Samstag gewartet, da war es kühler.“

Situationen wie diese gehören zum Alltag der 31 Mitarbeiter, darunter sieben Feuerwerker des staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Wenn bei Bauarbeiten in Freiburg oder Mannheim, in Stuttgart oder auf der Schwäbischen Alb ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wird, rücken die Experten an. Dann müssen sie vor Ort die Bombe entschärfen. Und wenn irgendwo im Wald Munition gefunden wird – auch dann sind die staatlichen Feuerwerker gefragt.

Fast 800 Mal mussten sie in diesem Jahr bisher ausrücken, um Munitionsfunde zu bergen. 20 Bomben mit jeweils mindestens 50 Kilogramm Gewicht entschärften die Experten an Ort und Stelle. Darunter war eine besonders große mit mehr als 1000 Kilogramm sowie zehn, die 250 Kilogramm und mehr wogen, gefüllt mit explosivem Material. Allein in diesem Jahr hätten seine Leute bis Ende Oktober 83 640 Kilogramm Munition vernichtet, sagt Vendel.

Zuständig sind die Experten ausschließlich für Funde von Bomben und Granaten, die aus der Zeit bis 1945 stammen. „Auch 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg liegt davon noch viel herum. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hat noch für Jahrzehnte Arbeit“, sagte der Regierungspräsident Johannes Schmalzl, zu dessen Behörde die Bombenentschärfer gehören. In den kommenden Jahren rechnet er sogar mit einer Zunahme von Aufträgen. „Durch die Flüchtlingsentwicklung und die damit verbundenen Zunahme von Bauprojekten werden vermutlich mehr Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.“

Um zu vermeiden, dass man während laufender Bauarbeiten auf Blindgänger stößt, arbeiten in Sindelfingen auch sechs Luftbildauswerter. „Die Alliierten haben nach den Bombardierungen stets Fotos gemacht. Diese kaufen wir auf und werten sie aus“, berichtete Vendel. So könne man bereits im Vorfeld eines Bauprojekts viele Bomben und Granaten aufspüren – aber eben nicht alle. Zurzeit sind die Experten damit beschäftigt, das Gelände für die Bundesgartenschau 2019 freizuräumen. Dabei arbeiten die staatlichen Bombenräumer mit privaten zusammen. Für den Abtransport der Munition sind aber ausschließlich die Sindelfinger zuständig.

Dafür erhielten sie nun ein neues Fahrzeug. Fast 400 PS hat es. Der Tüv hat es für den Transport von bis zu 14 Tonnen Munition freigegeben. Zum Einsatz kommen soll das neue 200 000 Euro teure Dienstfahrzeug – eine Spezialanfertigung von Mercedes-Benz – vor allem bei Transporten von explosivem Material in die mehrere hundert Kilometer entfernten zentralen Munitionsvernichtungsanlagen. „Die Politik will dies künftig so organisieren, dass dafür zwei, drei zentrale Stellen in Deutschland zuständig sind“, sagte der Regierungspräsident am Mittwoch bei der Übergabe des neuen Transportfahrzeugs im Sindelfinger Wald.

In Sindelfingen selbst soll künftig weniger Munition vernichtet werden, überflüssig werden die Bunker, in denen die Granaten zersägt werden, aber nicht. „Es gibt jede Menge Munition, die wir nicht lagern und transportieren können und deshalb bei uns unschädlich machen müssen“, sagte Vendel. Aktiv sind die Mitarbeiter auch bei der Vernichtung von abgegebenen Waffen. Zur Waffenabgabe ruft der Regierungspräsident seit dem Winnender Amoklauf von 2009 regelmäßig auf. In diesem Jahr entsorgten die Experten bisher 20 Tonnen Gewehre und Pistolen – das entspricht etwa 12 000 Stück. Im Rekordjahr 2009 registrierten die Experten landesweit rund 92 Tonnen Waffen, die sie vernichteten.