In der Gaisburger Kirche sitzen Alt und Sopran nebeneinander. Foto: Achim Zweygarth

Ein Weihnachtsoratorium zum Mitmachen: Die Internationale Bachakademie gibt ein besonderes Konzert in der Gaisburger Kirche.

Stuttgart-Ost - Die Gaisburger Kirche ist am Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt. Selbst auf der Empore und am Rand stehen noch Menschen mit einer Partitur in der Hand. Der Grund für den Andrang: Die Internationale Bachakademie veranstaltet ein ganz besonderes Konzert, nämlich eines ohne Publikum. Zutritt hat nur, wer einen Klavierauszug des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach mitbringt. „Ich liebe das Werk und wollte es schon immer einmal singen“, sagt eine Teilnehmerin. Ein „SingAlong“, ist ein klares Format: „Es bedeutet, jeder singt mit. Auch bei den Arien müssen Sie sich nicht zurückhalten“, erklärt Christian Zech, der Koordinator der Musikvermittlung der Internationalen Bachakademie. Einen Tipp gibt er dem Laienchor vorab noch: „Bei den Alt-Arien hören Sie am Besten genau auf den Knaben-Chor.“

Zum zweiten Mal hat die Bachakademie in Stuttgart zu einem „SingAlong“ eingeladen. Die Idee ist einfach: Es gibt ein professionelles Orchester, Solisten und einen großen Chor aus ganz vielen Laien. „Die Voraussetzung ist nur, dass jeder aktiv mitmacht“, sagt Claudia Brinker, die Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Bachakademie. Die Profis sind Mitglieder der Gächinger Kantorei und des Bach-Collegiums Stuttgart sowie der Stuttgarter Hymnus-Chorknaben. Geleitet hat das Konzert Stefan Weiler, der als Assistent des Akademieleiters Helmut Rilling schon mit vielen europäischen Ensembles zusammengearbeitet hat.

Die Freude am Musizieren steht in der Gaisburger Kirche im Vordergrund: „Der Anspruch ist nicht, ein professionelles Konzert zu machen“, sagt Brinker. Mit dem bekanntesten Werk der Vorweihnachtszeit, dem Weihnachtsoratorium von Bach, wolle man sich zudem gemeinsam auf die Festtage einstimmen. Brinker: „Für viele gehört das Oratorium auch seit ihrer Kindheit zu Weihnachten dazu.“ Mit dem Konzert werde vielen Menschen die Gelegenheit gegeben, bei einem großen oratorischen Werk mitzusingen, das viele Chöre mühevoll studieren, aber selten aufführen können. Um die 500 Teilnehmer seien in der Kirche gewesen, schätzt Brinker. Doch für Christian Zech ist das noch zu wenig. Er hat große Pläne: „Ich finde die Veranstaltung großartig und hoffe, wir kommen noch weiter voran.“ In Amerika, wo die Idee des „SingAlong“ entstand, seien oft bis zu 3000 Menschen dabei. „Ich sehe in Stuttgart dafür großes Potenzial. Vielleicht sind wir in ein paar Jahren ja schon in der Liederhalle“, sagt Zech lachend.

Schon in den 1960ern hatte Helmuth Rilling diese Idee für seine Kantatengottesdienste übernommen. „Die Internationale Bachakademie knüpft damit auch an ihre lange Tradition in der Vermittlung von Musik an“, sagt Claudia Brinker.

Die Grenze zwischen Publikum und Künstlern ist in der Gaisburger Kirche aufgehoben. Bei den Teilnehmern kommt dies gut an: „Ich finde es toll, dass so viele Leute spontan miteinander musizieren können“, sagt Sabine Pfäfflin. „Mich hat es gereizt, einmal mit Musikern der Bachakademie zu singen. Allerdings finde ich es besser, nach Stimmen getrennt zu sitzen.“