An diesem Samstag demonstriert der Sprayer Mike Becker beim Simmer Down Festival im Cannstatter Club Zollamt, was ein Live-Writer ist. Seit 1993 beschäftigt sich Becker mit der Kunst der Graffiti und finanziert seit seinem Schulabschluss damit seinen Unterhalt.
Stuttgart - „Geschmier“ würden einige das nennen, was Mike Becker an die Wand malt: Einzelne silberfarbene Striche, die glänzen und verloren wirken. Sieht man dem 36-Jährigen länger zu, entwickeln sich Silhouetten und Schriftzüge, die man nicht so schnell begreifen kann, wie sie auftauchen.
„Finde deinen eigenen Weg“, sagt er und zeigt uns eine Wand im Cannstatter Jugendhaus Cann. Das Motiv und die damit verbundene Botschaft habe er selbst ausgesucht. Ihm seien Botschaften wichtig – oft drehen sich diese um Selbstfindung. Vielleicht auch, weil er selbst seinen Weg finden musste: Seit 1993 beschäftigt sich Becker mit der Kunst der Graffiti und finanziert seit seinem Schulabschluss damit seinen Unterhalt. Dazu gehören Aufträge wie jener im Jugendhaus Cann. Der Autodidakt hat die Kunstrichtung und den damit verbundenen Lebensweg über seine Vorliebe für Hip-Hop-Musik entdeckt: „Ich war nie gut in Kunst, aber Graffiti hat mich immer gereizt. Als ich begann, verlief jedoch die Farbe, und ich wollte schon wieder aufgeben, bis ich bemerkte, dass mir nur Übung fehlt und es von Mal zu Mal besser wird.“
Seit einiger Zeit gibt Mike Becker Workshops, bei denen er anderen den Umgang mit der Dose lehrt. Verschiedene Aufsätze für das Sprayen brauche man und einen Mundschutz, wie er ihn im Jugendhaus trägt. „Das Interesse an Workshops ist groß“, erzählt er uns, „man glaubt gar nicht, wie viele Ideen vor allem Kinder haben.“
Diese Art von Malen nennt man laut Becker „Action Painting“, was bedeutet in Aktion zu malen. Auf dem Simmer Down Festival im Cannstatter Club Zollamt, das an diesem Samstag zum ersten Mal stattfindet (Beginn um 14 Uhr), wird Becker als „Live Writer“ angekündigt. Die Verwirrung ist dementsprechend groß, als wir ihn ohne Stift treffen. „Im Graffiti schreibt man auch“, erklärt er, „früher ging es meist darum, seinen Namen im eigenen Stil zu sprayen.“ Beim Festival werde man ihn „live“ sehen.
An dem Waggon, der im Club Zollamt steht, soll Becker sich austoben. Was er sprayen wird, will er nicht verraten. „Wer möchte, kann helfen“, sagt der 36-Jährige, „ich weiß, wie schwer es in Stuttgart als Anfänger ist.“ Die Hall of Fame an der Mercedesstraße in Cannstatt sei die einzige Möglichkeit, und die sei immer begehrt und von erfahrenen Sprayern belagert.
150 aktive Writer leben laut Becker in der Stadt - eine gute Zahl, wie er findet. Ob es nach seinem Live-Writing mehr werden? Im Jugendhaus Cann ist bereits ein Junge, der ihm zusieht. Mittlerweile glänzt sein Graffito blau. Das Wort „Way“ ist zu erkennen.
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