Kämpfer in jeder Hinsicht bis ins hohe alter: Robert Mugabe bei einer Parteiveranstaltung im November 2017 Foto: AFP

Erst Freiheitskämpfer, Brückenbauer und Hoffnungsträger, dann machthungriger Langzeitherrscher: Fast 40 Jahre lang bestimmte Robert Mugabe die Geschicke Simbabwes. Den Menschen in dem verarmten südafrikanischen Land hinterlässt er ein schweres Erbe.

Harare/Singapur - Auf diesen Augenblick hat Simbabwes Opposition jahrzehntelang gewartet. Es galt als die die „biologische Lösung“. Als letzte Hoffnung, weil sich eine „politische Lösung“, der Abtritt Robert Mugabes, partout nicht einstellen wollte. Nun ist die biologische Lösung tatsächlich Wirklichkeit geworden: Der 95-jährige Schwerenöter ist in einem Krankenhaus in Singapur gestorben, in dem er vier Monate lang behandelt worden war.

Zuhause in Simbabwe wird die Erlösung von dem Übel, das der einst weltweit verehrte Befreiungskämpfer über seine Heimat brachte, trotzdem nur verhalten gefeiert: Denn längst befindet sich der marode Staat im Griff eines neuen Autokraten, der sein Handwerk von seinem einstigen Mentor und Vorgänger gelernt hat. So setzt sich Mugabes verheerender Einfluss über den von ihm gegründeten Staat auch posthum fort: Wie ein Fluch, dem sich die Simbabwer trotz aller Anstrengung und allem Leiden nicht entledigen können.

Dabei hatte es so segensreich begonnen: Als Robert Mugabe nach einem erfolgreichen Guerillakampf und seinem überwältigenden Wahlsieg am 4. März 1980 als erster Regierungschef des unabhängig gewordenen Landes eingesetzt wurde, fand der Befreiungsführer erstaunlich milde Töne. Er rief die weißen rhodesischen Farmer zum Bleiben im neuen Simbabwe auf und ließ deren Ex-Präsidenten Ian Smith als Senator weiter amtieren. 16 Jahre zuvor hatte Smith den Befreiungskämpfer ohne Gerichtsverfahren zehn Jahre lang im Straflager halten lassen, weil dieser die weißen Herrscher als „Cowboys“ tituliert hatte. Gerüchten zufolge wurde Mugabe in der Haft vergewaltigt, womöglich der Grund für seine spätere militante Homophobie. Zur Verhärtung des Zimmermannsohns und Missionsschülers trugen seine Haftjahre womöglich auch in anderer Hinsicht bei.

20 000 Menschen werden umgebracht – und die Welt nimmt keine Notiz davon

Im Lager eignete sich Mugabe über seinen Universitätsabschluss als Lehrer noch sechs weitere Diplome an: Er habe auch „ein Diplom in Gewalt“ erworben, wird er sich später rühmen. Endlich freigelassen, begab sich Dr. Gewalt umgehend in den Busch des Nachbarlandes Mosambik, um als Präsident der „Simbabwischen Afrikanischen Nationalen Union“ (Zanu) einen schonungslosen Guerillakrieg gegen die weißen Herrscher Rhodesiens zu führen. Der Triumph stellte sich nicht nur im Busch sondern letztendlich am Verhandlungstisch im Londoner Lancaster House ein.

Dort erwies sich Mugabe als gewieftester Agent der Interessen seines Volks: Er selbst warf der einstigen britischen Kolonialmacht später vor, ihren Teil der Verpflichtungen in Sachen Landerstattung niemals eingehalten zu haben. Das Janus-Gesicht der blitzgescheiten aber schonungslosen Persönlichkeit stellte sich während seiner fast 40-jährigen Herrschaft immer deutlicher heraus. Mugabe legte zunächst großen Wert auf das soziale Wohl und die Bildung der Bevölkerung – Simbabwe wurde zur Kornkammer und zum Reservoir bestausgebildeter Profis des Kontinents.

Doch gleichzeitig räumte der Regierungschef gnadenlos mit der ethnisch und ideologisch abweichenden Simbabwischen Afrikanischen Volks-Union (Zapu) auf: Seine von Nordkoreanern ausgebildete Fünfte Brigade richtete Mitte der 1980er Jahre zahlreiche Massaker unter der Ndebele-Minderheit des Landes an, mehr als 20 000 Menschen wurden umgebracht. Ohne dass die Welt davon Notiz nahm: Sie wollte das Bild vom klugen und versöhnenden Befreiungsführer nicht verderben.

Mugabe begeht den Fehler seines Lebens

Daran ließ sich erst dann nicht mehr festhalten, als Mugabe eine neue – politisch und nicht ethnisch motivierte – Opposition erwuchs: Gewerkschafter, Menschenrechtler und weiße Farmer, die dem ständigen Machtzuwachs des Präsidenten entgegen zu treten versuchten. Der diplomierte Gewalttäter hetzte seine Schergen – Soldaten, Kriegsveteranen und die Parteijugend – auf die Kritiker. Er ließ sie grün und blau schlagen, nahm ihnen das Land weg und fälschte eine Wahl nach der anderen. Er entwickelte sich endgültig vom Versöhner zum gnadenlosen Diktator. Das Land versank in einer Wirtschaftskatastrophe, von der es sich nie mehr erholte.

Als sich schließlich, lange nach seinem 90. Geburtstag, die Frage nach seiner Nachfolge nicht mehr länger unterdrücken ließ, machte Mugabe den entscheidenden Fehler seines Lebens: Er unterstützte seine 41 Jahre jüngere, geld- und machtgierige zweite Ehefrau Grace und stieß damit seinem einstigen Mitkämpfer und Zögling, Emmerson Mnangagwa, vor den Kopf. Das „Krokodil“ wusste, dass der Gewaltmensch diesmal von seiner Schwäche für Grace geblendet war: Mit Hilfe des Militärs putschte sich Mnangagwa vor knapp zwei Jahren an die Macht und verbannte den trotzigen Mugabe aufs Altenteil. Von dem erzwungenen Machtverlust sollte sich der Dauerpräsident auch körperlich nicht mehr erholen.

Schon damals ahnten die Simbabwer, dass ihr Jubel über das Ende von Dr. Gewalt nur vorübergehend sein könnte: Tatsächlich erwies sich der Lehrling als bloßes Abbild seines einstigen Meisters. Auch das Krokodil ist auf die Unterstützung der Militärs und der korrupten Parteiführung angewiesen: Auch von ihm ist eine Befreiung des gehijackten Staats nicht zu erwarten. Mit seinen 76 Jahren scheint Mnangagwa von einer „natürlichen Lösung“ noch weit entfernt zu sein: Ohne politische Lösung wird sich für die Simbabwer nichts ändern.