Der diesjährige Polizeinsatz in Köln in der Silvesternacht sorgt erneut für Kritik. Foto: dpa

Die Gewerkschaft der Polizei rügt die Kritik der Grünen-Chefin Simone Peter an dem Kölner Polizeieinsatz. Diese unterstellte den Beamten indirekt, rassistisch gehandelt zu haben. Parteifreund Boris Palmer fuhr Peter und anderen Empörten umgehend in die Parade.

Berlin - Vor einem Jahr geriet die Polizei in Köln unter Druck, weil sie mangels Personal auf der Kölner Domplatte nahezu tatenlos sexuelle Übergriffe auf Frauen geschehen lassen musste. Die Verdächtigen und Verurteilten waren überwiegend junge Männer aus Nordafrika, die sich in Gruppen zusammengefunden hatten. In diesem Jahr sieht sich die Polizei erneut harter Kritik ausgesetzt. Diesmal wird ihr vorgeworfen, junge Nordafrikaner allein wegen ihres Aussehens in Köln eingekesselt zu haben. Außerdem empören sich die Kritiker über die Verwendung der Abkürzung „Nafri“ für Nordafrikaner in Tweets der Polizei, mit denen diese in der Silvesternacht über die Lage informierte. Grünen-Chefin Simone Peter sagte der „Rheinischen Post“, es stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt knapp 1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt“ worden seien. „Völlig inakzeptabel“ sei der Gebrauch von „herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen“ wie „Nafri“ für Nordafrikaner, so die Grünen-Chefin.

Der Vorwurf des „Racial Profilings“ steht damit im Raum, also die Verdächtigung bestimmter Gruppen allein aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft. Ein solches Verhalten der Polizei würde vor dem Grundgesetz und dessen Gleichheitsgrundsatz nicht bestehen und zumindest hinsichtlich dieser Wortwahl zeigte sich der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies einsichtig. „Den Begriff finde ich sehr unglücklich verwendet“, sagte er dem WDR. Er bedaure dies außerordentlich. „Nafri“ werde als „Arbeitsbegriff innerhalb der Polizei“ verwendet.

„Hochaggressive Gruppen“

Der Kölner Polizeipräsident lässt aber zugleich keinen Zweifel daran, dass er den Einsatz ansonsten für angemessen und erfolgreich hält. Die Bundespolizei habe aus mehreren Zügen gemeldet, dass „hochaggressive“ Gruppen von Nordafrikanern sich auf den Weg nach Köln gemacht hätten. Es sei „nun mal so, dass gerade auch aus den Erfahrungen der vergangenen Silvesternacht, aus Erfahrungen, die wir durch Razzien insgesamt auch gewonnen haben, hier ein klarer Eindruck entstanden ist, welche Personen zu überprüfen sind.“ Und das seien eben „keine grauhaarigen älteren Männer oder blondhaarige junge Frauen“, so Mathies.

Das Bundesinnenministerium wollte vor einer abschließenden Bewertung die routinemäßige Aufarbeitung des Einsatzes abwarten. „Racial Profiling“, so stellte ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière vorab aber schon mal klar, dürfe kein Ermittlungsinstrument der Bundespolizei sein und wäre auch nicht rechtmäßig. Ein aggressives Gruppenverhalten in den Zügen nach Köln würde jedoch allein schon die Vorsichtsmaßnahmen vor Ort rechtfertigen. Das Kanzleramt wollte sich zwar nicht zu den konkreten Vorwürfen äußern, ein Sprecher dankte allerdings demonstrativ den Polizeibeamten für deren engagierten und erfolgreichen Einsatz in der Silvesternacht.

Palmer: „Kein Rassismus

Selbst bei den Grünen ist die Bereitschaft zur Empörung unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer distanzierte sich auf Faceboook deutlich von seiner Parteichefin. Er finde den Begriff „Nafri“ zwar „doof und unangemessen“, aber jeder wisse dass es in vielen Berufen „eine Menge Abkürzungen für Personengruppen“ gebe, „die nicht alle wertschätzend sind“. Mit der Entschuldigung des Polizeipräsidenten sei dies erledigt. Man müsse deshalb „jetzt nicht wieder über Rassismus in der Polizei reden“, so Palmer. Die Fokussierung der Kölner Polizei auf Nordafrikaner hält Palmer indes für geboten. „Natürlich war es nach den Ereignissen vor einem Jahr angemessen, die Personengruppe, um die es geht, besonders ins Visier zu nehmen“, postete er: „Spezifische Antworten auf spezifische Probleme sind kein Rassismus, sondern adäquat.“

Wut und Frust ist bei der Polizei zu spüren. Der baden-württembergische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Hans-Jürgen Kirstein, sagte unserer Zeitung: „Die Kritik ist ein Schlag ins Gesicht all der Kollegen, die in Köln, Berlin oder Stuttgart in schwierigen Zeiten den Kopf hinhalten und ihre Familien an Silvester und anderen Feiertagen zuhause zurücklassen.“ Die Kollegen in Köln hätten „ruhig, professionell und besonnen agiert.“ Es habe dort „sowohl eine Vorgeschichte als auch konkrete Verdachtsmomente gegeben, die nicht außer Acht gelassen werden konnten“, sagte Kirstein. Bei der Verhinderung von Straftaten spielten „Erfahrungswerte eine große Rolle, und wenn man weiß, dass eine Bevölkerungsgruppe auffällig häufig in bestimmte Straftaten verwickelt ist, wäre es von der Polizei fahrlässig, dies bei der Kriminalitätsprävention nicht zu berücksichtigen.“ Dies habe mit Rassismus nichts zu tun. „Racial Profiling gibt es bei der Polizei nicht, jeder ist vor dem Gesetz gleich“, so Kirstein: „Wenn er ein Verbrecher ist, ist er ein Verbrecher, egal welche Hautfarbe er hat.“