Silvesterknallerei auf dem Stuttgarter Schlossplatz – nicht immer ungefährlich. Foto: Lichtgut

Wer will schon auf ein Feuerwerk an Silvester verzichten? Doch mehr Achtsamkeit könnte nicht schaden: Denn manchmal lauern da unerwartet Gefahren.

Stuttgart - Was soll schon passieren, wenn die Tochter unter Aufsicht noch ein paar Knaller zündet? Eigentlich nichts – dachte jedenfalls eine 43-Jährige am vergangenen Neujahrstag. Doch dann kam es zu einer persönlichen Katastrophe, und 2018 dürfte sich der Frau aus Bad Cannstatt förmlich ins Gedächtnis gebrannt haben. In einer Sammelgarage im Wohngebiet Muckensturm brach ein Feuer aus, es gab 120 000 Euro Schaden – und die Mutter geriet in die Mangel von Kripo und Staatsanwaltschaft.

Wenn es in der Silvesternacht kracht und das neue Jahr begrüßt wird, denken die wenigsten an die Kehrseite der Böllerei. Was soll schon passieren? Auf dem Schlossplatz vielleicht – wo einige Rabauken immer wieder gezielt Feuerwerkskörper in die Menge schießen. Dabei gab es zuletzt zahlreiche Verletzte, unter anderem zehn Beamte, die von Böllern und Raketen getroffen wurden. Drei mussten ins Krankenhaus.

Die Polizei wird aufrüsten

Auch in diesem Jahr wird die Polizei ihre Sicherheitsmaßnahmen hochfahren. Mit Scheinwerfern vom Technischen Hilfswerk, mit Videoüberwachung, mit verstärkten uniformierten und zivilen Kräften. „Es gibt dabei aber keine Hinweise darauf, dass es zu besonders außergewöhnlichen Ereignissen kommen könnte“, sagt Polizeisprecherin Elena Marino. Die Stadt hatte durchaus über ein mögliches Feuerwerkverbot im Stadtzentrum nachgedacht. „Die Rechtslage ist schwierig“, sagt Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU), „sie gibt zur Minderung der Luftverschmutzung oder zur Vermeidung von Lärm und Brandgefahren aktuell nichts her.“ Vor allem aber hätte das Verbot auch kontrolliert werden müssen – doch da hatte der inzwischen pensionierte Polizeivizepräsident Norbert Walz überzeugende Gegenargumente. Schairer stimmt zu: „Es gibt keine praktikable Lösung.“

Dabei brennt es vor allem dort, wo niemand damit rechnet. Im Muckensturm etwa. Es ist schon 14.45 Uhr am Neujahrstag, als die Feuerwehr in die Einsteinstraße zu einer Sammelgarage mit 14 Stellplätzen ausrücken muss. Dort hatte die achtjährige Tochter einer 43-jährigen Frau, wie es heißt, unsachgemäß Feuerwerkskörper gezündet. Und nun brannten ein Auto, ein Motorroller und diverses Lagergut. Nach erstem Eindruck wurde die Bausubstanz ebenfalls beschädigt, geparkte Autos durch Ruß in Mitleidenschaft gezogen. Die Polizei spricht von 120 000 Euro Schaden. Gegen die Mutter wird ein Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung eingeleitet.

Rauchnebel täuscht die Brandmelder

Die Stuttgarter Feuerwehr musste in der vergangenen Neujahrsnacht zu insgesamt 41 Bränden ausrücken. In Zuffenhausen wurde ein geparktes Auto von einer Rakete getroffen und ging in Flammen auf. Im Stadtteil Münster gab es binnen kurzer Zeit gleich vier Brände durch Feuerwerkskörper – Mülleimer, Baustellentoilette, Holzschuppen, Lagerbestände einer Recyclingfirma.

Die Feuerwehr rechnet wieder mit einem Großkampftag – und wird aufstocken. Markus Heber, Feuerwehrsprecher und Mitglied des Direktionsdienstes, wird sich für alle Fälle bereit halten. „In der Leitstelle werden fast doppelt so viele Mitarbeiter im Einsatz sein, um die Notrufe abarbeiten zu können“, sagt Heber. Drei zusätzliche Löschfahrzeug-Besatzungen und zwei weitere Führungsdienste sollen die Lage meistern helfen.

Dabei gibt es auch viele Fehlalarme, weil Rauchnebel in der Luft liegt. „Da schlagen dann viele Brandmelder irrtümlich an“, sagt Feuerwehrsprecher Heber. Dabei ist der Rauch ohnehin für viele Stuttgarter ein Hohn: Auf der einen Seite Fahrverbote für Dieselautos wegen Feinstaubs, auf der anderen muntere Silvesterknallerei. Doch Bürgermeister Schairer stellt klar, dass ein Verbot nicht möglich ist: „Das Sprengstoff- und Immissionsschutzrecht gibt hier keinen Spielraum“, sagt er.

Das Unheil braucht nur vier Zentimeter

Doch wehe, wenn der Schuss nach hinten los geht: Nicht zum ersten Mal ist ein Garagenbrand ein Fall für die Justiz. Am Neujahrsmorgen 2015 hatte es in Neugereut einen Großbrand mit 1,5 Millionen Euro Schaden und zahlreichen Leichtverletzten gegeben. Zwei 17- und 18-Jährige wurden im Juni 2017 wegen fahrlässiger Brandstiftung zu 120 Arbeitsstunden verurteilt.

Im Fall Einsteinstraße in Bad Cannstatt wurde das Verfahren Mitte August eingestellt. „Die Beschuldigte hatte angegeben, von der Brandentstehung nichts mitbekommen zu haben“, sagt Staatsanwaltssprecher Heiner Römhild. Eine Schuld sei ihr nicht zweifelsfrei nachzuweisen gewesen. Ein Funke des Feuerwerkskörpers hatte sich von draußen durch einen vier Zentimeter großen Spalt in den Garagenkomplex verirrt. Erst brannte Altpapier, dann gingen zwei Garagenabteile in Flammen auf.