Bei Böllern ist Vorsicht geboten. Foto: imago/M/arius Schwarz

Krankenhäuser in Baden-Württemberg sehen der Silvesternacht zwiespältig entgegen. Das Personal ist knapp. Dennoch ist ein Böllerverbot nicht ihre oberste Priorität.

Nach zwei Jahren des Böllerverbots wegen der Coronapandemie können viele es kaum erwarten, Raketen in den Silvesterhimmel zu schießen. Doch die Bundesärztekammer hat nun erneut ein Verbot gefordert – dieses Mal, um die Krankenhäuser zu entlasten, die unter Personalknappheit leiden. In Baden-Württemberg führt das zu unterschiedlichen Reaktionen.

Das Klinikum Stuttgart rechnet zum Jahreswechsel mit etwa 20 Prozent mehr Patienten in der Notaufnahme. „Silvester zählt in der Notaufnahme des Klinikums Stuttgart zu den arbeitsreichsten Nächten des Jahres“, sagt der Sprecher Stefan Möbius. Silvester 2019 wurden demnach allein zwischen Mitternacht und 7 Uhr morgens im Katharinenhospital 65 Patienten notfallmäßig behandelt. In den Jahren davor sei das Aufkommen ähnlich groß gewesen. In dieser Nacht seien die Patienten deutlich schwerer verletzt als in andern Nächten.

Ob Böllerverbot oder nicht, der Stuttgarter Sprecher betont: „Grundsätzlich ist jede vermeidbare zusätzliche Belastung für die Teams der Notaufnahmen sinnvoll.“

Alkohol ist das größere Problem

Allerdings machen die Patienten mit sogenannten Böllerverletzungen nur einen kleinen Teil der Notfälle aus. In Stuttgart rechnete man mit 20 Patienten im Jahr. Schwerer wiege der Alkoholkonsum, berichtet der Sprecher. Bis zu 80 Prozent der Patienten, die in Silvesternächten in die Notaufnahme gebracht würden, gingen auf Alkoholkonsum oder die daraus resultierende gestiegene Gewaltbereitschaft zurück. Das Team werde sowohl pflegerisch als auch ärztlich verstärkt. Möbius ergänzt: „Leider hat auch die Security-Kraft in der Silvester Nacht viel zu tun, um das Team der Notaufnahme bei der Deeskalation zu unterstützen.“

Auch das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm meldet aus seiner Notaufnahme, man rechne nicht mit einem großen Anstieg an Böllerverletzungen. „Aber immer wieder gibt es Probleme mit Alkohol“. Zu einem Böllerverbot gibt der Sprecher zu bedenken: Würden hierzulande die Böller verboten, würden die Leute sich mit Produkten aus dem Ausland eindecken, die deutlich gefährlicher seien, als die vom TÜV geprüften inländischen.

Lukas Schult, der Sprecher der Kreiskliniken Reutlingen vertritt eine klare Haltung. „Wir würden ein Böllerverbot unterstützen“ sagte er auf Anfrage. Auf jeden Fall appellieren die Kliniken im Kreis Reutlingen „an einen verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerk“. Er berichtet: „In der Silvesternacht sehen wir immer ein erhöhtes Patientenaufkommen aufgrund von Verletzungen im Zusammenhang mit dem Abbrennen von Feuerwerk. Dies beschert uns in einer ohnehin bereits dauerhaft am Limit laufenden Zentralen Notaufnahme noch zusätzliche Patienten, die die Situation noch verschärfen.“

Minister mahnt zur Vorsicht

An die Vernunft appelliert auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Nachdem die pandemiebedingten Feuerwerksverbote der vergangenen beiden Jahre aufgehoben sind, befürchtet er in diesem Jahr wieder mehr Verletzte durch Feuerwerk in den Krankenhäusern und Notaufnahmen. Er sagte unserer Zeitung: „Viele dieser Verletzungen sind vermeidbar. Wer verantwortungsvoll mit Feuerwerk umgeht oder vielleicht sogar darauf verzichtet, hilft damit auch den Krankenhäusern und ihren Beschäftigten.“ Lucha verweist auf die angespannte Situation in den Krankenhäusern, da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkrankt seien.

Einschränkungen in den Städten

Unterdessen haben verschiedene Städte und Landkreise bereits darauf hingewiesen, dass private Feuerwerke in diesem Jahr zwar wieder erlaubt seien, aber nicht in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen oder von Fachwerkhäusern. Der Main-Tauber-Kreis will seine Gewerbeaufsicht zu verstärkten Kontrollen losschicken und überprüfen lassen, ob der Einzelhandel sich an die Auflagen hält: So dürfen Silvesterraketen nur an mindestens 18-Jährige verkauft werden.