Die Stuttgarter Polizei zieht Bilanz aus der Silvesternacht. In unserer Fotostrecke haben wir die Eindrücke aus der Landeshauptstadt gesammelt. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Zum Jahreswechsel eskaliert die Lage am Schlossplatz. Die Polizei räumt und sperrt die Königstraße. Es gibt Verletzte und mehrere Festnahmen.

Stuttgart - In der Stuttgarter City ist es in der Silvesternacht lange friedlich. Zugang zum Schlossplatz gibt es aber nur nach strenger Einlasskontrolle, Leibesvisitation inklusive. So will die Polizei sicherstellen, dass das Alkohol- und Böllerverbot eingehalten wird. Auch die beiden mit Leergut vollen Taschen des Flaschensammlers werden durchsucht. Als ein Widerwilliger eine Begründung für die Maßnahme einfordert, wird der Polizist deutlich: „Weil Leute mit Alkohol dumm werden und mit Feuerwerk ganz dumm, und weil wir nicht wollen, dass das eskaliert.“

Ein Kalkül, das lange aufgeht. Massive Böller werden bis dahin nur in den Seitenstraßen gezündet. Sehr entspannt wirkt die Szenerie an den besetzten Tischen beim Kunstmuseum. „Feiern mit Fanta“ will ein Paar aus Remscheid, ein paar Stuttgarter wollen mit alkoholfreiem Kindersekt auf das neue Jahr anstoßen „und die positive Energie hier aufsaugen“. Dazu wird es aber nicht kommen, denn eine halbe Stunde vor Mitternacht sperrt die Polizei die Zugänge, worauf an den Absperrungen schnell größere Ansammlungen entstehen. Vor allem auf Höhe der Buchhandlung Wittwer, wo eine Menge von mehreren hundert Leuten, weitgehend ohne Maske, die volle Breite der Königstraße einnimmt. Zwei Frauen, die den Schlossplatz verlassen wollen, macht ein Polizeibeamter klar: „Das kann ich nicht verantworten, da vorne geht es gleich ab!“ Und genau so kommt es dann.

Pulk hoch aggressiver Männer

Pfiffe, Buh-Rufe, Tritte gegen die Absperrgitter – und Punkt Mitternacht, als am Kesselrand Feuerwerksraketen hochgehen, ohrenbetäubendes Gejohle. Nun strömt auch vom Schlossplatz her eine Menge zusammen, von einer Polizeikette auf 20 Meter Abstand gehalten. Zeitweilig wogt das Gejohle zwischen den beiden Gruppierungen hin und her, von jedem neuen Böller neu befeuert. Und jetzt knallt es nicht mehr nur entfernt, sondern auch direkt in der Königstraße. Erste kleinere Knaller und Effektleuchter fliegen über die Absperrung gegen die Polizei und die inzwischen an vorderster Front aufgereihten, berittenen Polizisten.

Geprägt wird die Situation vor allem von einem Pulk hoch aggressiver agierender junger Männer, die die Polizei massiv verbal attackieren und zu provozieren versuchen. Die Masse johlt weiter mit. Noch wartet die Polizei ab. Das ändert sich schlagartig, als vor den Polizeipferden ein Brachialkracher explodiert. Eine Polizeikette, die sich bereits vor der Absperrung positioniert hatte, drängt nun die Masse weg. Rechterhand wird das Gitter für die Berittenen geöffnet, die nun auf voller Straßenbreite und offensichtlich sehr entschlossen die flüchtende Menge Richtung Charlottenplatz treibt und dann kehrtmacht.

Menschen durch Knallkörper verletzt

Nicht wenige kehren aus den Seitenstraßen zurück. An der Büchsenstraße wurden von einem Knallkörper zwei Personen verletzt, die ärztlich versorgt werden. Als der identifizierte Werfer an der Straßenecke gefasst und in Handschellen gelegt wird, scheint die Euphorie der Johlenden verflogen. Inzwischen traben die Berittenen in einer zweiten Welle heran. Nun werden von den Einsatzkräften auch die Zugangsstraßen energisch geräumt und gesichert. Nach einer Dreiviertelstunde des neuen Jahres ist die Königstraße von oben bis unten geräumt und gesperrt. Die Menge hat sich zerstreut, die Situation beruhigt. Am Charlottenplatz beschimpft ein Einzelner die Beamten der Polizeikette dermaßen ausdauernd, bis er schließlich abgeführt wird. Auch sonst kommt es zu einigen Festnahmen. Etwa von einem Mann, der einen Gullideckel Richtung Polizei geschleudert hatte. Oder wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Um 1.30 Uhr wird die wie leergefegt wirkende Königstraße wieder freigegeben.

Ein Kontrastprogramm boten übrigens angrenzende Restaurants, wo „ganz normal“ Silvester gefeiert wurde. Dabei herrschte teils auch starker Betrieb. Im Amici etwa, wo OB Frank Nopper das alte Jahr ausklingen ließ. Einzig getrübt wurde auch dort die gute Laune durch den frühen Zapfstreich. Doch als zum Zeichen des Aufbruchs eine halbe Stunde vor 1 Uhr das Putzlicht angeknipst wurde, konnte das Lokal, so die Auskunft, „fast auf die Minute genau“ geschlossen werden.