Die Silvesterfeier auf dem Schlossplatz ist aus Finanzgründen abgesagt. Für eine friedliche Feier muss die Stuttgarter Polizei wieder weitgehend alleine sorgen.
Polizeivizepräsident Carsten Höfler hatte alles versucht. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses des Gemeinderats am 24. September hatte er davor gewarnt, auf die zentrale Silvesterfeier auf dem Schlossplatz zu verzichten. Ohne die drohten „pyrotechnische Angriffe“ in die Menge, und die Polizei müsse „robust“ vorgehen, wenn es eine völlig freie Aktionsfläche auf dem Schlossplatz gebe. Denn die würde dann von einem Eventpublikum genutzt, die in den vergangenen Jahren mit zunehmender Härte agiere. Höfler mahnte vergebens. Die Stadt kann sich die 952 000 Euro fürs Fest nicht leisten.
Böllerverbot nicht lückenlos durchsetzbar
Was wird das für den Jahreswechsel bedeuten? Reicht es denn nicht aus, wenn die Stadt ein Böllerverbot innerhalb des Cityrings erlässt? Höfler sagte es im Ausschuss deutlich: Er müsse den Glauben nehmen, dass die Polizei in der Lage sei, bei bis zu 30 000 Menschen ein Böllerverbot ohne Veranstaltung lückenlos durchzusetzen. Als Kapitulationserklärung soll das nicht verstanden werden – natürlich werde die Polizei „bestmöglich für Sicherheit sorgen“. Und das heißt? „Das Kräftekonzept wird nach der Absage der Silvesterveranstaltung an die veränderte Lage angepasst“, lässt Polizeisprecher Timo Brenner auf Nachfrage wissen. Zurück auf Anfang. Auf die Zeit vor Silvester 2019, als erstmals eine Lightshow die Böllerei ersetzte.
Der Blick in die Datenbanken zeigt: Beim Jahreswechsel 2017/18 gab es im Stadtzentrum 44 Gewaltstraftaten und Sexualdelikte, 2018/19 stieg diese Zahl gar auf 91. Zuletzt, beim Wechsel ins Jahr 2025, sank diese Zahl auf 26. Offenbar blieb letztlich das Problemklientel fern – denn es mussten auch immer weniger Platzverweise ausgesprochen werden. Zum Vergleich: 2018/19 waren es etwa 90, 2019/20 noch 58, zuletzt 2024/25 lediglich 36. Auch atmosphärisch änderte sich einiges: Waren beim Start ins Jahr 2018 noch zehn Polizeibeamte von Raketen getroffen und verletzt worden, so gab es bei der letzten Polizeibilanz „keine gravierenden Vorkommnisse“.
Einst 500 Einsatzkräfte – und beim nächsten Mal?
Wie die künftige Polizeitaktik geändert werden muss, darüber macht Polizeisprecher Brenner auf Nachfrage keine Angaben. „Der Personalaufwand zuletzt war geringer als 2018/19“, sagt er. Das dürfe man aber nicht pauschaliert sehen, weil das auch „von der Art der eingesetzten Kräfte und den Anlässen im Vorfeld abhängig“ sei. Gleichwohl: Dies war der letzte Einsatz ohne Festveranstaltung. In jenen Jahren hatte die Polizei nach Informationen unserer Zeitung um die 500 Kräfte auf den Straßen. Womöglich muss wieder auf diese Größenordnung aufgestockt werden.
Zuletzt hatte sich die Stuttgarter Polizei darauf konzentrieren können, die Zugangswege im Umfeld des Schlossplatzes mit Gittern abzusperren und die Passanten zu durchsuchen. Den Rest – im unmittelbaren Veranstaltungsbereich – erledigte ein privater Sicherheitsdienst. Diese Kontrollen auf dem Platz selbst fallen nun weg. Ein Vakuum, in das womöglich das junge Problemklientel, das vorwiegend aus dem Umland stammt, stoßen könnte. Ohne Veranstaltung sei mit „einer Zusammenrottung schwieriger Personengruppen“ zu rechnen, heißt es unumwunden.
Wie viele Beamte die Stuttgarter Polizei zur Verfügung hat, steht noch nicht fest. Auch in anderen Großstädten im Land gibt es Bedarf. Am Ende sieht der Stuttgarter Polizeisprecher Brenner aber nur eine Zielrichtung: „Eine Gefährdung oder gar Verletzungen von Unbeteiligten durch Feuerwerk minimieren und gefährliche Dynamiken unter Personengruppen frühzeitig vorbeugen.“