Die Kirche an der Kleinhohenheimer Straße ist dem Heiligen Michael geweiht worden. Foto: Archiv Regine Warth

Die Katholiken feiern am Wochenende, dass es sie seit 60 Jahren im Stadtbezirk gibt.

Sillenbuch - Am Anfang waren es zwei. Im Jahr 1900 waren gerade einmal zwei der 400 Einwohner Sillenbuchs katholisch. An eine eigene Kirchengemeinde hat damals wohl keiner gedacht. Doch bereits 30 Jahre später waren acht Prozent der hiesigen Bevölkerung Katholiken. Bis der Bischof Carl Josef Leiprecht die Kirche im Frühsommer 1953 geweiht hat, sind jedoch noch ein paar Jahre ins Land gezogen.

Die Frage, wie es mit der katholischen Kirchengemeinde Sankt Michael seinen Anfang nahm, ist in diesen Tagen aktuell. Denn die Gemeinde feiert am Wochenende, dass es sie seit 60 Jahren gibt. Wer möchte, kann sich die Historie in einer Ausstellung anschauen.

Zu dieser Historie gehört, dass das Loch für das Fundament der Kirche in freiwilliger Handarbeit ausgehoben worden ist. Der Körpereinsatz hat sich gerechnet, die Kosten für das gewünschte Gotteshaus waren trotzdem beträchtlich. Sie lagen bei knapp 300 000 Mark. Etliche Bettelpredigten waren von Nöten, und Helfer der Gemeinde besuchten katholische Neubürger, unterhielten sich mit ihnen und versuchten, sie für den Kirchenbauverein zu gewinnen. So wuchs die Gemeinde nach und nach.

Eine Geschichte der Augustiner

Entworfen hat die Kirche der Architekt Hans Herkommer, selbst ein Sillenbucher. Anfang der 1950er-Jahre war der Plan fertig. Herkommer hatte kurz zuvor ein Gotteshaus in Weilimdorf gebaut, es diente dem Sillenbucher Gebäude als Beispiel. Wobei der Architekt die Gelegenheit nutzte, an dem neuen Modell Störfaktoren zu korrigieren. Daher ist bei der Sillenbucher Kirche gern von einem verbesserten Nachbild die Rede.

Dass es die katholische Gemeinde heute in Sillenbuch gibt, ist eng mit der Kolping-Siedlung verknüpft. Sie wurde Anfang der 1930er-Jahre an der Eichenparkstraße hochgezogen. Die Bauherren waren katholische Handwerker, die für sich und ihre Familien ein Häuschen errichten wollten. Bauherren waren sie im Wortsinn. Denn sie packten für ihren Traum vom Eigenheim tatkräftig mit an. Ihr Elan war später auch für die Kirche ein Segen, die Kolping-Siedler haben oft Hand angelegt.

Die Bedeutung der Kolping-Siedlung für das Bauprojekt ist das eine. Das andere ist: Die Geschichte der Kirchengemeinde von Sankt Michael ist zudem immer auch eine Geschichte der Augustiner. Der Pfarrer Hermann Breucha hatte dem Orden Sillenbuch als Seelsorgestation angeboten. Im Jahr 1952 kamen die ersten Patres. Sie haben die Gemeinde jahrelang spirituell begleitet. Bis zum Herbst im Jahr 2009. Pater Gottfried hat sich damals in den Ruhestand verabschiedet, anschließend zog sich der Orden aus Sillenbuch zurück.

Katholische Kirche im Umbruch

Nach dem Blick in die Vergangenheit bleibt der in die Zukunft. Die katholische Kirche ist im Umbruch. Die Mitgliederzahlen sinken, Gemeindehäuser und Kirchen sind zu groß und zu teuer, und Männer reißen sich nicht darum, Priester zu werden. Aus diesen Gründen hat das katholische Stadtdekanat das Projekt „Aufbrechen“ erfunden. Ziele sind zum Beispiel, dass Gemeinden künftig größer sind, weil das Personal spart. Außerdem sollen nutzlose Immobilien abgestoßen werden.

Auf Sillenbuch kommen Veränderungen zu, so viel ist gewiss. Derzeit wird darüber beraten, ob die katholischen Gemeinden in Ruit und Kemnat aus dem Verbund mit Sillenbuch und Heumaden austreten. Dies würde den Weg für eine Megagemeinde auf den Fildern ebnen: eine mit 14 000 Mitgliedern. Das gefällt nicht jedem. Doch wie hatte es der Professor Johannes Binkowski, damals zweiter Vorsitzender im Kirchengemeinderat, Anfang der 1980er-Jahre in einem Text formuliert? Spannungen gehörten seiner Ansicht nach zu einer Gemeinde. Diese machten „im Grunde, wenn sie nicht zu Widersprüchen werden, das Gemeindeleben fruchtbar“.