Am Montag haben bereits Siemens-Mitarbeiter in Berlin gegen den Jobabbau protestiert. Foto: dpa

Die Siemens-Betriebsräte wollen bei ihrem jährlichen Treffen in Berlin den Widerstand gegen den geplanten Stellenabbau organisieren. Auch SPD-Chef Martin Schulz kritisiert das Management.

München - Das Treffen hat Tradition. Jedes Jahr am Buß- und Bettag sowie am Tag darauf kommen rund 600 Betriebsräte von Siemens im Berliner Tagungshotel Estrel zusammen, um aktuelle Themen zu besprechen. Für Aktualität ist dieses Mal mit dem geplanten Abbau von deutschlandweit 3500 Stellen sowie der mutmaßlichen Schließung der beiden ostdeutschen Standorte Görlitz und Leipzig reichlich gesorgt.

Die Einschnitte bei Siemens werden auch in Berlin immer mehr zu einem politischen Thema. So haben sich nach mehreren Ministerpräsidenten nun auch SPD-Chef Martin Schulz und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles am Mittwoch mit betroffenen Siemens-Mitarbeitern solidarisiert. Der Bundestag hat dem Thema „Arbeitsplatzverlust bei Siemens vermeiden“ auf Antrag der SPD zudem eine Aktuelle Stunde gewidmet. „Das ist nicht das Verhalten eines verantwortungsbewussten Managements“, wetterte Schulz dort gegen die Siemens-Bosse. Er beschuldigte sie, gegenüber ihrer Belegschaft einen Vertrauensbruch zu begehen. Bluten sollten nun das Personal und strukturschwache Regionen speziell in Ostdeutschland. Dort dürfe es aber nicht darum gehen, Werke zu schließen, sondern Perspektiven zu bieten. In schwierigen Zeiten müsse der Konzern seine Milliardengewinne nutzen, um Probleme in einzelnen Geschäftsfeldern abzufangen und eine Zukunft zu schaffen.

Besonders pikant ist der Auftritt der Personalchefin

Am Donnerstag trägt die IG Metall den Protest gegen die Kahlschlagpläne mit einer Demonstration, zu der gut 2500 Siemens-Mitarbeiter erwartet werden, auf die Straßen Berlins. Besonders pikant beim Siemens-Betriebsrätetreffen ist der Auftritt von Siemens-Personalchefin Janina Kugel. Sie stellt sich dort dem geballten Unmut Hunderter Betriebsräte.

Weder gibt es offizielle Gespräche, geschweige denn Verhandlungen zum geplanten Kahlschlag vor allem im Siemens-Kraftwerksgeschäft, noch sind diese in Sicht. „Es gibt keine Gesprächsgrundlage“, sagen IG Metall und Betriebsräte unisono und zeigen dem Management die kalte Schulter. In anderer Hinsicht verspricht es dagegen heiß zu werden. „Das ist ein direkter Angriff auf Radolfzell und damit eine neue Qualität“, sagt ein Teilnehmer des Betriebsratstreffens. Das mobilisiere die Belegschaft bundesweit. Die Radolfzeller Vereinbarung ist jenes Dokument, mit dem Management und Personal 2010 unbefristet vereinbart haben, dass es bei Siemens in Deutschland keine betriebsbedingten Kündigungen oder Schließungen von Standorten mehr gibt. Beides steht aber nun auf der Tagesordnung.

Die Betriebsräte befürchten, dass ein Präzendenzfall geschaffen wird.

Wenn sich Siemens damit durchsetze, schaffe das einen Präzedenzfall, befürchten Gewerkschafter und Siemensianer. Dann seien morgen andere Bereiche dran. Denn eine Ausnahme seien Stellenstreichungen beim Münchner Vorzeigekonzern mit seinen steigenden Milliardengewinnen schon lange nicht mehr. „Jedes Jahr geht der Zauber von Neuem los“, klagt ein Gewerkschafter. Im Kraftwerksbau sei die vorherige Abbaurunde, die 1100 Stellen in Deutschland gekostet hat, gerade am Auslaufen, da komme schon der nächste Schlag. Ständig neue „Anpassungen“ mit immer denselben abgegriffenen Begründungen habe die Belegschaft satt. Hinzu kommen weitere Unwägbarkeiten. Mit dem französischen Konkurrenten Alstom probt Siemens in der Bahntechnik die Fusion. Dagegen hat der Verein der Siemens-Belegschaftsaktionäre mahnend die Hand erhoben. „Kunden bestellen nicht mehr Züge, nur weil das Angebot in einem Anbieter vereinigt wurde“, argumentieren sie mit Blick vor allem auf die beiden Schnellzüge ICE (Siemens) und TGV (Alstom). Sie befürchten mittelfristig einen Sparkurs, bei dem der ICE oder der TGV arbeitsplatzvernichtend auf der Strecke bleibt. Als aktuelle Mahnung dient ihnen die Siemens-Mehrheitsbeteiligung Siemens Gamesa im Windkraftgeschäft. Das deutsch-spanische Gemeinschaftsunternehmen hat gerade die Streichung von konzernweit 6000 Stellen bekannt gegeben.

Deshalb soll im Berliner Estrel nun zwei Tage lang geballte Gegenwehr besprochen und organisiert werden. Diesmal habe es das Management übertrieben und der Vorstand unter Siemens-Chef Kaeser sich verkalkuliert, warnt ein Teilnehmer. Die Zeichen stünden auf Arbeitskampf, und das im gesamten Konzern.