Bei der Bahntechnikfusion würden auch die Hochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV unter ein Dach kommen. Foto: dpa

Siemens-Chef Kaeser: Aus der Verschmelzung der Bahntechniksparte von Siemens mit der des französischen Konkurrenten Alstom wird wohl nichts.

München - Wenigstens die eigenen Aktionäre verstehen Siemens-Boss Joe Kaeser. „Es würde ein starkes Unternehmen rauskommen“, meinte Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt. Nicht nur sie, auch Vertreter großer Fondsgesellschaften lobten beim Eignertreffen Kaesers Pläne, das Bahntechnikgeschäft von Siemens mit dem des französischen Konkurrenten Alstom zu fusionieren. Aber die Aktionäre fürchten auch, dass daraus nichts wird, weil EU-Kartellhüter den Daumen senken dürften. „Das verkennt aber die Gefahren für den europäischen Indus-triesektor im weltweiten Wettbewerb über die nächsten 20 Jahre“, kritisierte Fondsmanager Marcus Poppe in der Münchner Olympiahalle.

Poppe spricht damit dem Siemens-Chef aus der Seele. Der hatte zuletzt in Manier von US-Präsident Donald Trump per Twitter die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in die Nähe einer rückwärtsgerichteten Technokratin gerückt und diese Kritik beim Aktionärstreffen nun wiederholt. Denn so wie es aussieht wird die Dänin dafür sorgen, dass die Fusion am EU-Kartellrecht scheitert.

Wenig Spielraum

Die geltende Rechtslage lasse da wenig Spielraum, meinte Kaeser nun resigniert und warnte zugleich vor industriepolitischen Irrwegen mit Verweis auf ein historisches Beispiel. Vor eineinhalb Jahrzehnten sei das Netzwerkgeschäft innerhalb der EU noch von europäischen Konzernen wie Nokia, Siemens, Ericsson oder Alcatel dominiert worden. Mittlerweile aber hätten sich manche wie Siemens unter dem Druck eines staatsgelenkten Konzerns aus China aus dem Markt zurückgezogen.

Kaeser meint den heute weltgrößten Telekom-Ausrüster Huawei, der nun die Branche im Zentrum moderner Kommunikation dominiert. „Das stößt heute auf große Empörung“, meinte Kaeser mit Blick auf die Politik in vielen westlichen Staaten. Befürchtet wird Kontrolle oder Spionage durch Huawei-Technik in westlichen Kommunikationsnetzen.

Eine ähnliche Verdrängung europäischer Konzerne könnte in einigen Jahren auch in der Bahntechnik drohen, vor allem falls die Fusion von Siemens und Alstom untersagt wird, warnt Kaeser. Heute sei Siemens in der Bahntechnik zwar globaler Margenführer mit fast elf Prozent operativer Rendite und aktuell sprudelnden Auftragseingängen. Aber im Umsatz sei ein heute in Europa noch kaum bekannter Bahntechnikriese aus China namens CRRC schon doppelt so groß wie Siemens und Alstom zusammen.

Nicht um jeden Preis

Positiv würden ein Scheitern der Fusionspläne allerdings Siemens-Belegschaftsaktionäre sehen. Hier würden zwei nicht zueinander passende Zug-Plattformen verheiratet, kritisierten sie bei der Hauptversammlung. Sie meinen damit die Hochgeschwindigkeitszüge ICE (Siemens) sowie TGV (Alstom) und befürchten Nachteile für das jeweilige Personal.

Um jeden Preis will Kaeser die Fusion nicht erzwingen. Würde sie untersagt, werde Siemens sich damit abfinden und eine andere Option wählen. Welche das ist, sagte er nicht. Hört man in den Konzern hinein, dürfte das Siemens-Geschäft mit Bahntechnik wohl im Alleingang an die Börse gehen nach dem Vorbild der Siemens-Medizintechnik 2018. Letzteres sieht Kaeser als sehr erfolgreich an.

Für alle Geschäfte gilt das aber nicht. Vor allem die Kraftwerkssparte und im Auftaktquartal des Geschäftsjahrs 2018/19 (zum 30. September) auch der Bereich Energiemanagement leiden unter starkem Margenverfall. Aktionäre drängen Kaeser deshalb mittlerweile dazu, das Geschäft mit Gasturbinen mit einem vorzugsweise chinesischen Wettbewerber zu verschmelzen, um im Wachstumsmarkt China besser an Kraftwerksaufträge zu kommen. Das würde auch zur aktuellen Holding-Strategie von Siemens passen, finden die Eigner.

Neue Struktur

Anfang April will sich der Konzern in neuer Struktur mit nur noch drei großen operativen Geschäftsbereichen und weiteren drei strategischen Mehrheitsbeteiligungen präsentieren. Zur zweiten Kategorie zählt die Bahntechnik. Blickt man aktuell in all diese Aktivitäten ergibt sich ein gemischtes Bild. Einem starken Auftragseingang von 13 Prozent im Auftaktquartal 2018/19 auf gut 25 Milliarden Euro steht dabei eine Halbierung des Gewinns nach Steuern auf 1,1 Milliarden Euro gegenüber. Auch wenn Sondereffekte den Profit schlechter aussehen lassen, als er wirklich ist, ist die operative Marge zwischen Oktober und Dezember von gut elf auf gut zehn Prozent gesunken. „Es gibt noch viel zu tun“, räumt Kaeser ein.