In der Blaskapelle der Siebenbürger Sachsen spielen die Mitglieder aus unterschiedlichen Motivationen heraus mit. Foto: Gottfried Stoppel

Die Siebenbürger Blaskapelle Schorndorf hat keine Nachwuchsprobleme. Vor zehn Jahren startete sie mit gerade mal zwei enthusiastischen Musikern. Heute sind es mehr als 40. „Wir wirken wie ein Magnet“, sagt der Klarinettist und organisatorische Leiter Emil Kaiser.

Schorndorf - Die Siebenbürger Blaskapelle Schorndorf hat eine echte Erfolgsgeschichte hinter sich. Vor gut zehn Jahren startete sie mit gerade mal zwei enthusiastischen Musikern. Schon beim ersten Auftritt im Jahr 2010 waren es bereits 13 Männer, die kräftig in ihre Posaune, Klarinette oder ins Flügelhorn bliesen. Heute hat die Kapelle mehr als 40 Mitglieder und 20 bis 25 Auftritte pro Jahr. „Wir wirken wie ein Magnet“, sagt der Klarinettist und organisatorische Leiter Emil Kaiser dazu und lächelt.

Die Hälfte der Musiker kommt aus dem Remstal

Das Interessante dabei ist: Bei der Siebenbürger Blaskapelle machen eben nicht nur deutschstämmige Aussiedler aus Rumänien wie Emil Kaiser mit. Ungefähr die Hälfte der Musiker kommt direkt aus dem Remstal. Und einer sogar aus Italien: „Man nennt mich den italienisch-schwäbischen Siebenbürger Sachsen“, sagt Leonardo Daniele mit einem breiten Grinsen. Der Winterbacher spielt für sein Leben gern Waldhorn. Regelmäßig probt der 59-Jährige mit dem Musikverein Concordia Weiler – und eben auch mit den Siebenbürgern. Die Liebe zur traditionellen Blasmusik und der Kontakt zum Gründer Bernhardt Staffendt hat Daniele zu der Blaskapelle mit Migrationshintergrund gebracht: „Die Leute waren interessant und nett, es gab eine gute Kameradschaft“, sagt der Winterbacher Italiener. Und das sei ihm im ersten Moment wichtiger gewesen als der Siebenbürger Hintergrund.

So ging und geht es einigen der Kapellenmitglieder. „Die Musik hat mich hergebracht“, sagt Tim Kellner. Der 19-Jährige spielt Bariton, ein Tenorhorn, wohnt in Kernen-Stetten und macht eine Ausbildung zum Mechatroniker. Seit einem halben Jahr ist er leidenschaftlich bei den Siebenbürgern dabei. Dass seine Uroma aus Hermannstadt (heute: Sibiu, Rumänien) kommt, sei dabei nebensächlich. Die Siebenbürger Blaskapelle hatte der junge Mann zum ersten Mal in diesem Jahr bei den Plüderhäuser Festtagen gehört – und war sofort Feuer und Flamme.

Für Emil Kaiser ist das kein Wunder: „Wir strahlen die Kameradschaft aus, die wir aus Siebenbürgen mitbringen“, sagt der 59-Jährige. Und: „Bei uns ist jeder gerne gesehen.“ Kaiser selbst stammt aus Petersberg bei Kronstadt. 1986 wanderte er aus und ließ sich schließlich in Schorndorf nieder. Schon früher in Rumänien war er mit seiner Klarinette Teil einer Kapelle, später spielte er beim Musikverein Concordia Weiler – und nun seit 2010 bei der Siebenbürger Blaskapelle: „Es ist gut und richtig, dass wir unsere Tradition hier weiterleben“, sagt Emil Kaiser.

In Tracht und mit Liedern der alten Heimat

Tradition heißt in diesem Fall: Die Siebenbürger Blaskapelle tritt in traditioneller Tracht auf und hat auch Lieder aus der alten Heimat im Repertoire. Aber der Großteil, so erklärt es der musikalische Leiter Günter Machau, sei klassische böhmisch-mährische Blasmusik. Und die gefällt offensichtlich auch Schwaben. Emil Kaiser hat festgestellt: Viele Musikvereine wenden sich von der klassischen Blasmusik ab und orientieren sich im Kampf um Mitglieder in Richtung Big Band. Wem das nicht gefällt, landet eben bei den Siebenbürgern. Und ist dort gut aufgehoben.

Selbst der musikalische Leiter, Günter Machau, ist kein Siebenbürger, sondern Schwabe und wohnt in Lorch-Waldhausen. „Der Vorteil hier ist: Der Spaß steht im Vordergrund“, sagt Machau. Als Untergruppierung der Kreisgruppe Schorndorf der Siebenbürger Sachsen in Deutschland falle bei der Blaskapelle auch fast keine Vereinsarbeit an. Wer Zeit und Lust hat, kann kommen und mitspielen. Wer mag, kann auch bei den Auftritten mitmachen. „Wir sind ein Verein mit lauter Verrückten“, sagt Machau fröhlich. Und das funktioniere ganz toll.

Rumänische Aussiedler und ihr Brauchtum

Siebenbürger Sachsen
Im 12. Jahrhundert folgten deutsche Siedler aus dem linksrheinischen fränkischen Raum dem Ruf des ungarischen Königs Géza II., machten sich auf den Weg ins heutige Rumänien und siedelten sich auf im Hermannstädter Raum (heute Mittelrumänien) an. Damit sollten sie die Grenzen gegen Mongolen und Tataren schützen und das Land wirtschaftlich erschließen.

Banater Schwaben
Im Laufe des 18. Jahrhundert siedelten sich in einer groß angelegten Kolonisierungsaktion rund 50 000 Deutsche in mehreren Schwabenzügen im Banat (heutiges West-Rumänien und Ostserbien) an. Auf rumänischem Territorium gab es auch andere Siedlergruppen, wie etwa die Sathmarer Schwaben, Bessarabiendeutsche, Landler, Durlacher oder Zipser. Sie unterschieden sich durch ihr Herkunftsgebiet, den Zeitpunkt der Einwanderung, ihr Siedlungsgebiet und ihre historische Entwicklung.

Flucht und Aussiedlung
Der Zweite Weltkrieg bedeutete den Anfang vom Ende der Existenz der Deutschen in Rumänien. Bereits während des Krieges und direkt danach flüchteten viele nach Deutschland. In der Nachkriegszeit verließen immer mehr Deutschstämmige Rumänien. Lebten im Jahr 1930 noch rund 750 000 Deutsche in Rumänien, sank die Zahl 1992 nach der Wende auf rund 120 000 Personen. Seitdem ist die Zahl weiter stark gefallen. In Deutschland organisierten sich die Aussiedler unter anderem im Bund der Vertriebenen und in Landsmannschaften, die das Brauchtum aus der alten Heimat pflegen.