Rückbau der Brücke an der Wolframstraße – hier sollen Ende 2019 zwei Behelfsrampen entstehen. Foto: Arnim Kligus

Ein siebenjähriges Provisorium an der Querverbindung von der Heilbronner zur Cannstatter Straße treibt die Bürger auf die Barrikaden. Der Bezirksbeirat Nord fordert die Verkürzung der Bauzeit an der Wolframstraße und den Erhalt der Radwege.

Stuttgart - Manchmal sagen Bilder mehr als Worte. Im aktuellen Fall ist es das Bild, das der Bahn-Experte Florian Bitzer im Bezirksbeirat Nord abgab. Es schien fast so, als habe er ein großes Sicherheitsbedürfnis. Bitzer war von einem schweigenden Kollegen begleitet, der wie ein Bodyguard wirkte. Das Aufgebot der Bahn hatte seinen Grund: Denn am Montagabend ging es um den „Brennpunkt Wolframstraße“, wie die Überschrift von Bitzers langem Vortrag lautete. Tatsächlich ist in einem Bauvorhaben an dieser Straße, die als Querverbindung zwischen Heilbronner – und Cannstatter Straße dient – die Lunte für massive Proteste gelegt. In der Bürgerschaft war jedenfalls eine explosive Stimmung während der Sitzung auszumachen.

 

Worum geht es? Die Bahn baut einen neuen S-Bahn-Tunnel, der die Züge an den geplanten Tiefbahnhof nach dessen Fertigstellung bringen soll. Nach Aussagen von Florian Bitzer soll das im Jahr 2025 soweit sein. Bis dahin müssen jedoch etliche Vorarbeiten geleistet werden. Kurzum: die Wolframstraße in ihrer jetzigen Form soll es gegen Ende des Jahres 2019 nicht mehr geben. Als Ersatz dienen dann zwei einspurige Behelfsrampen, über die das Baugebiet kreisförmig umfahren wird. Damit droht aus Sicht der Bezirksbeiräte und der Bürgerinitiative Nordlichter ein „Verkehrschaos“, dem die täglich 10 000 Autos vermutlich über „ die Friedhof-, Nordbahnhof-, und Rosensteinstraße als Schleichwege“ entgehen wollen. „Dieses ganze Konstrukt ist eine große Zumutung für alle Verkehrsteilnehmer – nicht nur für die aus dem Nordbahnhofsviertel“, sagt Claudia Jechow von den Nordlichtern.

Bahn für „grauenhafte Streckenführung“ kritisiert

SPD-Bezirksbeirat Sebastian Sage kritisierte diese Planung der Bahn als eine „grauenhafte Streckenführung“ und geißelte die Tatsache, „dass diese Achterbahn sieben Jahre lang“ einem Dauerzustand gleich komme. Am Ende fragte Sage auch: „Wo war bei diesen Planungen die Stadt?“ Großen Beifall aus dem Publikum erntete er gar, als er feststellte, dass „die Stadt Stuttgart doch kein Gartenzwerg ist, die der großen Bahn hinterher laufen muss“. Darauf reagierte der Projektleiter S 21 im Tiefbauamt, Gerhard Rotermund, betroffen und erklärte, dass die Stadt bei dem ganzen Projekt S 21 in einem Dilemma stecke: „Es ist eine Gratwanderung, einerseits die Belange der Stadt zu wahren und andererseits als Partner das Projekt nicht zu behindern, da jede Verzögerung auch Geld kostet.“ Zudem hätte die Stadt in dieser Sache keine Einflussmöglichkeit, da für die Planfeststellung das Eisenbahnbundesamt zuständig sei. Auch gebe die Stadt keineswegs nur klein bei. Im Streit um die Kosten des Rückbaus der Wolframstraße nach Beendigung aller Arbeiten habe man eine Klage angestrengt.

Bezirksbeirat Jürgen Klaffke (SÖS/Linke-plus) überzeugte diese Argumentation nicht. Er nannte es „ein verkommenes Projekt“, bei dem angebracht gewesen wäre, „die Bürger vorher zu befragen“, statt vor Tatsachen zu stellen. Überdies zweifelt Klaffke daran, dass die Bauarbeiten 2025 fertig werden würden. Anna Kedziora (Freie Wähler) ergänzte knapp: „Für die Anwohner ist dies eine Zumutung.“

Zornesröte in den Gesichtern der Besucher

Der Verkehrsexperte der Bahn, Florian Bitzer, erwiderte im Verlauf der Diskussion nur: „Für die Autofahrer ist unerheblich, ob sie in der Schleife oder auf der Geraden im Stau stehen.“ Diese Aussage trieb so manchem Besucher des Rates die Zornesröte ins Gesicht. Aber nachdem sich herausstellte, dass die neue Planung keine gesonderten Fuß- und Radwege auf beiden Schleifen vorsieht, erreichte die Stimmung den Siedepunkt. „Unfassbar“, skandierte einer, ehe Gerhard Rotermund vom Tiefbauamt einräumte, „dass es „für Radfahrer gewisse Einschränkungen gibt“. Dies ist für den Bezirksbeirat Nord jedoch nicht hinnehmbar. Einem von Jürgen Klaffke formulierten Antrag stimmte der Rat schließlich einstimmig zu: „Der Bezirksbeirat Nord fordert von der Stadt und der Bahn, die geplante Bauzeit von sieben Jahren deutlich zu verkürzen.“ Zudem dürften den Baumaßnahmen weder Rad- noch Fußwege zum Opfer fallen. Florian Bitzer erteilte jedoch allen Hoffnungen bereits in der Sitzung eine Abfuhr: „Ich bin nicht sehr optimistisch. Denn wenn dafür genug Platz gewesen wäre, hätte man es ja eingeplant.“