Haben allen Grund, sich zu beglückwünschen: die erfolgreichen Spitzenkandidaten Jörg Urban (Sachsen, links) und Andreas Kalbitz (Brandenburg). Foto: AP

Mit seltener Klarheit haben die Wahlen in Sachsen und Brandenburg gezeigt, dass sich die Ostdeutschen noch immer abgehängt fühlen – war dies der entscheidende Grund für den Erfolg der AfD? Dazu sieben Fragen und Antworten.

Potsdam/Dresden -

Sind die Ostdeutschen Bürger zweiter Klasse?

66 Prozent der befragten Wähler in Sachsen und 59 Prozent in Brandenburg stimmen in einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD der Aussage zu, dass „die Ostdeutschen Bürger zweiter Klasse“ sind. Drei von vier AfD-Wählern denken so und ähnlich viele bei der Linkspartei. Das war zu erwarten. Hingegen überrascht, dass die Anhänger aller etablierten Parteien diese Haltung mehrheitlich teilen. Ausnahmen sind die zumeist in den florierenden Groß- und Universitätsstädten lebenden Grünen-Sympathisanten und die CDU-Wähler in Brandenburg.

Wird Deutschland zu sehr vom Westen gelenkt?

Das Gefühl, benachteiligt zu werden, wird nicht dadurch gelindert, dass zugleich 75 Prozent der Sachsen und 58 Prozent der Brandenburger der Ansicht sind, die Wirtschaftslage in ihrem Land sei gut oder sehr gut. Vielmehr fühlen sich die Ostdeutschen in beiden Ländern unzureichend wahrgenommen. Der Aussage „Bei bestimmten Themen wird man heute ausgegrenzt, wenn man seine Meinung sagt“ stimmen 64 Prozent der Brandenburger und 69 Prozent der Sachsen zu. Von den AfD-Anhängern sind es fast alle, und selbst in den Reihen der Grünen denkt etwa jeder Zweite so. 70 Prozent der Brandenburger und sogar 77 Prozent der Sachsen sind der Ansicht, dass Politik und Wirtschaft noch zu stark von Westdeutschen bestimmt werden. Auch die Unterschiede in der Kultur und der Mentalität werden jeweils stark betont – unabhängig von der Sympathie der Befragten für die eine oder andere Partei.

Welche Rolle spielt das Thema Migration bei AfD-Wählern?

Unzufriedenheit ist bei den Menschen weit verbreitet. Verschlechtert hat sich nach landläufiger Meinung in Brandenburg vor allem die Situation in der ärztlichen Versorgung und in der Polizeipräsenz (jeweils 36 Prozent aller Befragten), im öffentlichen Nahverkehr (30), in Schulen und Kitas (20) und bei den Einkaufsmöglichkeiten (13). Dieser Frust trägt zu den guten Werten der AfD bei, die längst nicht mehr nur wegen der Flüchtlinge gewählt wird. Vielmehr spielt Zuwanderung laut Infratest dimap nur noch bei jedem dritten AfD-Wähler in Sachsen die größte Rolle, wenngleich der Kampf dagegen weiter als ihre Kernkompetenz gesehen wird.

Ist es richtig, dass AfD-Wähler Protestwähler sind?

Die AfD ist mehr als nur Protestpartei: Nach einer Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF wird sie von 28 Prozent als „Denkzettel“ und von 70 Prozent „wegen ihrer politischen Forderungen“ gewählt. Für 95 Prozent ihrer Wähler nennt die AfD als „einzige Partei die wichtigen Probleme beim Namen“. Bei der Frage, wer sich am ehesten um die Sorgen der Ostdeutschen kümmert, liegt die AfD bei allen Befragten mit CDU und Linkspartei praktisch gleichauf, was vor allem die Linke besorgen muss.

Gibt es einen typischen AfD-Wähler?

Ihre Wähler rekrutiert die AfD auf breiter Front. Bei Männern ist sie deutlich erfolgreicher als bei Frauen (33 zu 22 Prozent in Sachsen), derweil Frauen eher zur CDU tendieren als Männer (35 zu 29 Prozent). Arbeiter neigen eher zu den Rechtspopulisten als Selbstständige, Angestellte und Beamte. Relativ viele AfD-Wähler haben die Mittlere Reife und den Hauptschulabschluss – weniger das Abitur oder einen Hochschulabschluss.

Was ist das größte Problem der CDU im Osten?

Wie sich bei den vorigen Landtagswahlen und der Europawahl schon gezeigt hat, hat die CDU ein Zukunftsproblem: Bei den unter 30-Jährigen in Sachsen kann sie nach Erkenntnissen der Forschungsgruppe Wahlen nur noch 16 Prozent der Wähler an sich ziehen. Die Hauptklientel wird ihr jedoch wegbrechen: Bei der Generation 60 plus kommen die Christdemokraten auf 42 Prozent, während die AfD von 24 Prozent der Älteren gewählt wird. Bei allen unter 60-Jährigen wiederum liegen die Rechtspopulisten leicht vor der CDU, und allein bei den unter 60-jährigen Männern rangiert die AfD klar auf Platz eins.

Werden die Grünen im Osten stärker?

Die Grünen haben ihre große Zeit auch im Osten noch vor sich: 24 Prozent aller unter 30-Jährigen in Brandenburg haben ihr Kreuz bei der Ökopartei gemacht – so viele junge Menschen wie bei keiner anderen Partei. Da kann nur die AfD (20) mithalten, die demzufolge mittlerweile auch jüngere Wählerschichten erreicht. 13 Prozent sind es bei der SPD, elf Prozent bei der Linkspartei und lediglich neun Prozent bei der CDU.