Mit geballter Faust – das Attentat auf Donald Trump schockt die USA. Foto: AFP/Rebecca Droke

Mit dem Attentat auf Donald Trump ist dessen Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl wahrscheinlicher geworden. Deutschland muss sich darauf vorbereiten. Und dabei vor allem zwei Dinge tun, kommentiert unser Berliner Korrespondent Tobias Peter.

Wer würde die eigene Sicherheit einer Firma anvertrauen, in der plötzlich der eine auf den anderen schießt? In der es zwei so zerstrittene Lager gibt, dass man sich wahlweise entweder Hassbotschaften zukommen lässt oder aber schon lange gar nicht mehr miteinander spricht. Und in der mit immer größerer Wahrscheinlichkeit ein Krimineller der Chef wird.

Die deutsche Politik hat lange so getan, als seien die USA eine Sicherheitsfirma, die für den Schutz auch der europäischen Länder zu sorgen habe – ohne dass sie dafür allzu viel Gegenleistung zu erwarten hätte. Das war dreist, aber auch bequem und praktisch. Doch es rächt sich jetzt, weil höchst unsicher ist, wie es in den Vereinigten Staaten weitergeht. Dort könnten bald Unkalkulierbarkeit und Irrationalität regieren. Oder in einem Namen: Donald Trump.

Die wachsende Nervosität

Die Bilder vom Attentat auf US-Präsidentschaftskandidaten Trump haben auf der ganzen Welt Entsetzen ausgelöst. Das blutende Ohr zeigt, wie knapp der Mordversuch gescheitert ist. Nicht nur US-Präsident Joe Biden hat die Tat, die ein schlimmer Angriff auf die Demokratie ist, verurteilt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz nannte den Anschlag „verabscheuungswürdig“. Die Einigkeit, dass in der Demokratie Wahlen und nicht Waffen entscheiden dürfen, ist groß.

In Deutschland wächst zugleich mit Recht die Nervosität mit Blick auf die Frage, was ein Wahlsieg Trumps für die Sicherheit der Bundesrepublik und ganz Europas bedeuten könnte. Trump lag in Umfragen ohnehin schon vor Biden – und hat sehr gute Chancen zu gewinnen. Der US-Präsident hat mit seinem Totalversagen im TV-Duell die Zweifel ins Unermessliche gesteigert hat, ob er mit 81 noch fit genug für das Amt ist. Trump ist 78, wirkt allerdings vitaler. Und als der republikanische Ex-Präsident – direkt nach den Schüssen von Butler in Pennsylvania – blutverschmiert die Faust emporrichtete, schaffte er Bilder, die ihm im Wahlkampf noch von größtem Nutzen sein werden.

Die deutsche Bundesregierung muss die US-Wahlen ungefähr so verfolgen wie jemand, der am Roulette-Tisch steht – und für den viel davon abhängt, dass die Kugel auf der richtigen Farbe landet. Biden steht für Vereinigte Staaten, denen Europa wichtig ist – und die im westlichen Bündnis führen, ohne alle anderen brüsk zu übergehen. Trump ist ein Egozentriker, der auch schon mal entscheidet, ohne die Folgen zu bedenken. Wenn Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen „Deal“ über die Ukraine schließen sollte, könnte dies Europas Sicherheit langfristig stark gefährden.

Eine Doppelstrategie

Es ist unmöglich, sich jetzt noch gut auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Deutschland und Europa werden logischerweise nicht mit einem Fingerschnippen sicherheitspolitisch unabhängig. Deshalb bleibt am Ende auch nur eine Doppelstrategie: Deutschland und andere müssen erstens ihre Hausaufgaben machen und den europäischen Pfeiler in der Nato stärken. Dann wären sie besser ohne die USA handlungsfähig, falls es im schlimmsten Fall tatsächlich nötig sein sollte.

Es gilt aber zweitens auch, möglichst viel dafür zu tun, dass aus einem für Europa ungünstigen Fall (Trumps Wahlsieg) kein unerträglicher wird. Schon jetzt muss die Bundesregierung alles tun, um arbeitsfähige und belastbare Kontakte ins Trump-Lager aufzubauen. Wenn sie hinterher doch nicht gebraucht werden sollten, umso besser. Denn es gibt eine Vorstellung, die noch schlimmer ist, als das Trump das mächtigste Land der Welt regiert. Es ist die Vorstellung, dass dabei kaum noch jemand zu ihm durchdringt.