Wie hier in Leipzig ist es an Silvester auch in Berlin und anderen Städten zu Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen. In Baden-Württemberg will man die Lage erörtern. Foto: Sebastian dpa/Sebastian Willnow

Das Stuttgarter Innenministerium lädt nach den bundesweiten Silvester-Ausschreitungen zum Sicherheitsgipfel. Jetzt stehen Termin und Teilnehmerkreis fest – und die ersten Forderungen.

Sie kam ziemlich überraschend, die Ankündigung von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Am Dreikönigstag gab das Ministerium bekannt, man lade noch im Januar Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte zu einer Art Sicherheitsgipfel ein. Einerseits nachvollziehbar, hatte es am Jahreswechsel doch massive Ausschreitungen gegen Retter in Berlin und anderen deutschen Städten gegeben. Andererseits aber erstaunlich, hatte man in Strobls Haus doch noch wenige Tage zuvor von einem normalen Silvester im Land gesprochen – obwohl es auch im Südwesten Angriffe und Verletzte gegeben hatte. Kritik und Vorwürfe der Selbstinszenierung vor allem aus der Opposition folgten prompt.

Jetzt steht fest: Das Treffen soll sehr breit angelegt werden. Inzwischen stehen nach Informationen unserer Zeitung sowohl Termin als auch Teilnehmerkreis fest. So sollen sich am 24. Januar in Stuttgart Dutzende Vertreter verschiedenster Beteiligter treffen. Eingeladen sind Polizei, Feuerwehr, Rettungsorganisationen, Gewerkschaften und Interessengemeinschaften. Wert gelegt wird dabei darauf, dass nicht nur formale Vertreter kommen, sondern auch Leute aus den operativen Bereichen.

Geladen sind auch Vertreter der Kommunalverbände und des Beamtenbunds. Denn die Diskussionen sollen sich nicht nur auf Retter beschränken, sondern viele Vertreter öffentlicher Institutionen einbeziehen, die zunehmend zu Zielscheiben von Aggressionen und Beleidigungen werden. Man plane einen Gipfel „gegen Hass und Hetze“, heißt es im Ministerium.

„In Baden-Württemberg leisten rund 600 000 Menschen im öffentlichen Dienst einen wichtigen Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit. Unsere Aufgabe ist es, sie zu schützen“, sagt Strobl. Das gelte auch für kommunale Amts- und Mandatsträger, für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und für alle Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. „Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, für unser Miteinander. Und hier mussten wir leider eine Verrohung erleben“, so der Innenminister.

In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres etwa gab es im Land allein 220 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. Das waren zwar weniger als im Vergleichszeitraum des Jahres 2021, damals hatte aber die Landtagswahl einen Sondereffekt erzeugt. Dazu kommen jedes Jahr Tausende Fälle von Gewalt gegen Polizisten und Hunderte bei Rettungskräften.

Klare Forderungen

Im Innenministerium heißt es, man habe sich natürlich Gedanken über mögliche Maßnahmen gemacht, wolle zunächst aber hören, was die direkt Betroffenen vorbringen. Dabei könne es um ein breites Spektrum von der Schutzausstattung für Einsatzkräfte über Strafverfolgung bis hin zu Prävention und Sensibilisierung der Bevölkerung gehen.

Für die Gewerkschaft der Polizei steht schon fest, welche Kernpunkte man bei dem großen Treffen ansprechen muss. „Von dem geplanten Sicherheitsgipfel erwarte ich klare Signale von der Politik, dass über die Personalknappheit bei Polizei, Feuerwehr, Rettungskräften, in Notfallambulanzen und anderswo gesprochen wird und Lösungen aufgezeigt werden“, sagte der Landesvorsitzende Gundram Lottmann unserer Zeitung. Außerdem müsse ein übergreifendes landesweites Lagebild erstellt werden, in dem Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst erfasst wird. Und zuletzt brauche es dann strategische Konzepte, wie man künftig Übergriffen und Ausschreitungen entgegenwirken wolle. „Allen muss klar sein, dass wir die gegenwärtigen Probleme nur gemeinsam lösen können“, so Lottmann.

Strobl wehrt sich gegen Kritik

Das betont man auch im Innenministerium – und wehrt sich gegen Vorwürfe, es handle sich um eine PR-Aktion. Solch „reflexhafte Kritik“ sei nicht sachdienlich. Das Thema stehe schon lange auf der Agenda ganz oben, in Sachen Prävention und Kampf gegen Aggression sei bereits viel umgesetzt worden. So habe die Landesregierung im September 2021 unter Strobls Vorsitz den ressortübergreifenden Kabinettsausschuss „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ eingerichtet. In diesem Zusammenhang müsse man den Termin nun sehen, es gehe nicht allein um Silvester, sondern allgemein um Verrohung, die es leider überall gebe.

„Wir wollen kein Klima, in dem gesellschaftliche Spaltung, Extremismus, Antisemitismus, Verschwörungsideologien auch nur ansatzweise gedeihen können. Unser Ziel ist eine gesellschaftliche Kurskorrektur, nicht nur eine statistische“, betont Strobl. Alle müssten jeden Tag aktiv für das gesellschaftliche Miteinander und das friedliche Zusammenleben im Land eintreten.