Eine deutsche Bundeswehr-Soldatin zusammen mit ihrem Kameraden bei dem von der Bundeswehr angeführten Nato-Bataillon auf dem Militärstützpunkt in Rukla. Foto: dpa

Die neue Initiative von neun Ländern, in Krisenlagen sehr schnell zu einer gemeinsamen Bewertung und notfalls militärisch zu gemeinsamem Handeln zu finden ist ein Fortschritt, meint Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Wer ist die EU? Wer hat ihre Telefonnummer? Spöttische Fragen dieser Art haben noch immer ihre Berechtigung, solange es um die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik geht. Denn die ist viel zu selten gemeinsam. Militärisch wurde 2011 der Angriff mehrerer EU-Staaten auf Libyen zum Offenbarungseid: Ohne US-Unterstützung wären die Europäer nicht operationsfähig gewesen.

Das alles ist kein Grund, die Dinge treiben zu lassen. Zumal die von vielen so sehr herbeigesehnte multipolare Welt als Alternative zu weltweiter US-Hegemonie heute so aussieht: Amerika isoliert sich, Russland tritt offen mit der Agenda auf, in Europa Grenzen zu verändern, das nördliche Afrika und der Nahe Osten versinken in Instabilität und Gewalt.

Einbußen an nationaler Souveränität sind es allemal wert

In dieser Lage bedeutet alles Fortschritt, womit die EU mehr politisches Gewicht und mehr militärische Handlungsfähigkeit aus den rund 200 Milliarden Euro herausholt, die die 27 EU-Staaten jährlich für Verteidigung ausgeben. Das gilt auch für die neue Initiative von neun Ländern, in Krisenlagen sehr schnell zu einer gemeinsamen Bewertung und notfalls zu gemeinsamem Handeln zu finden. Diese Initiative ergänzt sinnvoll die jüngsten Beschlüsse, in Rüstungsplanung und -kauf sowie in der Streitkräfteplanung eng zusammenzurücken.

Solche Fortschritte sind gewisse Einbußen an nationaler Souveränität allemal wert. Stoßen Alleingänge in der Wirtschafts- oder Flüchtlingspolitik schon an enge Grenzen, so gilt für die äußere Sicherheit noch viel mehr: Ohne Partner ist sie nicht zu garantieren. Es spricht Bände, dass die Brexit-Briten an den neuen Verteidigungsinitiativen der EU Teil haben und in der Sicherheitspolitik brave Europäer bleiben wollen. Sie wissen, warum.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de