Mobile Videosäulen an Brennpunkten – wie hier in Berlin will die Polizei auch in Stuttgart flexibler werden. Foto: dpa/Paul Zinken

Mit einem Elf-Punkte-Plan will Stuttgarts OB mehr Sicherheit in der Stadt schaffen. Was aber ist für die Polizei überhaupt leistbar? Im ersten Halbjahr ist die Kriminalität in Stuttgart wieder gestiegen – auch die Gewaltdelikte.

Wer nachts durch die Stuttgarter Innenstadt läuft, kann sich schon so seine Gedanken machen. Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) war an einem Augustwochenende zusammen mit Polizeipräsident Markus Eisenbraun unterwegs – und brachte dann einige Gedanken zu Papier. Erst zehn, dann elf Punkte listete er auf, um die Sicherheitslage in der Landeshauptstadt zu verbessern. Auf die meisten Maßnahmen, für die Bund und Land zuständig sind, hat das Stadtoberhaupt freilich keinen Einfluss. Und auch für die eigenen fünf Punkte gibt es reichlich Hürden zu überwinden.

 

Ausdehnung der Waffenverbotszonen, noch intensivere Polizeikontrollen, Waffentrageverbote für Intensivtäter, Aufklärungskampagnen in Flüchtlingsunterkünften und mobile Videoüberwachung. Da werden Gemeinderat, Juristen und Datenschützer einiges zu sagen haben – aber „wir wollen alles daransetzen, die Sicherheitslage in Stuttgart zu stärken“, sagt Nopper.

Mehr Messerangriffe im Halbjahr 2024

Derweil sind aus dem Innenministerium wenig erfreuliche Trends zu hören. Ohne Zahlen zu nennen, verrät Minister Thomas Strobl (CDU) steigende Werte im ersten Halbjahr 2024. Die Zahl der Straftaten in Stuttgart nimmt zu – vor allem bei Gewaltkriminalität und Aggressionsdelikten, Beleidigungen und Schwarzfahren. Auf Vorjahresniveau bleiben laut Strobl die Diebstahls- und Drogendelikte sowie Sexualstraftaten. Diese Zwischenbilanz geht aus einer Landtagsanfrage von Friedrich Haag (FDP) hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Dass derzeit Messerangriffe ein viel diskutiertes Thema sind, liegt nicht nur an blutigen Zwischenfällen in den letzten Wochen. Es schlägt sich bislang offenbar auch statistisch nieder: „Es ist ein Anstieg der Straftaten mit der Tatbegehungsweise Messerangriff im öffentlichen Raum zu verzeichnen“, stellt Strobl fest. Der Halbjahrestrend gilt entsprechend auch im Stadtbezirk Stuttgart-Mitte.

Klage über 20 Prozent unbesetzte Stellen im Revier

Freilich: Monat für Monat registriert die Polizei jeweils nur eine Handvoll Verstöße in den Waffenverbotszonen. In den letzten sechs Monaten kamen 24 Anzeigen und 25 beschlagnahmte Waffen zusammen. Das Verbot ist für Strobl dennoch ein wichtiger Beitrag: „Jedes beschlagnahmte Messer kann nicht mehr für mögliche Angriffe eingesetzt werden.“ Für den FDP-Mann Haag muss der steigende Trend vor allem zu etwas anderem führen: „Der Innenminister muss zum Beispiel die 20 Prozent unbesetzten Stellen auf den Stuttgarter Polizeirevieren endlich besetzen.“

Personalnot und Überstunden – wie soll da noch eine Intensivierung der Kontrollen möglich sein? Was auch die Polizeigewerkschaften immer wieder beklagen, scheint für die Stuttgarter Polizeiführung offenbar kein Problem zu sein. Die Sicherheitskonzeption seit 2016 werde „lageorientiert angepasst“, um aktuell reagieren zu können. „Es handelt sich um ein atmendes Stufenkonzept“, formuliert es Polizeivizepräsident Carsten Höfler. Dadurch habe man etwa bei dem blutigen Messerangriff am 30. Juli in der Königstraße schnell Präsenzkräfte aufstocken können. Zusätzlich seien Kripoleute vom Jugenddezernat, Präventionsbeamte und Jugendsachbearbeiter eingebunden.

Mobile Videoüberwachung nach Vorbild Berlin

Für Vizepräsident Höfler ist eine mobile Videoüberwachung eine besonders gute Idee – nachdem sich die stationäre Beobachtung am Schlossplatz an Wochenenden bereits bewährt habe. „Die mobile Videobeobachtung benötigt keinen umfangreichen logistischen Vorlauf, ist örtlich flexibel, und wir könnten schneller in neue Kriminalitätsbrennpunkte hineinschauen“, sagt er. Der Personalbedarf sei grundsätzlich nicht höher, und die Bilder könnten in die bestehende Technik integriert werden. Die Videoaugen wirkten abschreckend auf potenzielle Straftäter und steigerten das Sicherheitsgefühl.

Polizeivizepräsident Höfler denkt an einen mobilen Videoanhänger – eine Mischung aus bekannter Videoüberwachung zum Schutz von Baustellen und den Blitzer-Anhängern am Straßenrand. Ein solches Modell wurde schon im Herbst 2017 in Berlin präsentiert. Doch die technischen Voraussetzungen müssten erst noch konkretisiert werden, so der zweite Mann im Polizeipräsidium. Wo könnte die Anlage dann eingesetzt werden – am Mailänder Platz, im Stadtgarten, in der Klett-Passage? Höfler hält sich bedeckt: „Die Möglichkeiten können erst nach Vorliegen der technischen Merkmale final beurteilt werden.“