Wie können Ausschreitungen rund um Fußballspiele vermieden werden? Die Innenminister und -senatoren der Länder nehmen bei der Lösung dieser Frage vor allem eine Personengruppe ins Visier: die Fans des Gastvereins.
Stuttgart - Zehn Prozent der Tickets erhält ein Verein, der in der Fußball-Bundesliga auswärts antritt, für seine Fans. Auch in der zweiten und dritten Liga gibt es Kontingente in dieser Höhe, zumindest in der Regel. In den Sicherheitsgesprächen vor besonders brisanten Duellen rät die Polizei immer wieder, die Tickets für Auswärtsfans zu verringern oder sie nur personalisiert zu verkaufen. Es besteht aber keine rechtliche Bindung für den Veranstalter, den Club. Auch vonseiten des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) oder der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gibt es bis jetzt keine verbindlichen Bestimmungen.
Genau an diesem Punkt beginnt für viele Innenpolitiker das Problem: Die Polizei, die für die Sicherheit rund um Stadien verantwortlich ist, ist auf die Kooperation des Heimvereins angewiesen. Und der entscheidet sich – aus wirtschaftlichen Gründen – nur selten dafür. Vor allem im Ruhrgebiet kommen Polizei und Heimvereine bei sogenannten Hochrisikospielen immer mal wieder zu unterschiedlichen Ansichten. Die Folge: Die Forderungen der Polizei verpuffen.
Der Auftrag ist klar
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) brachte deshalb auf der Innenministerkonferenz Ende November in Saarbrücken eine Initiative ein, wonach es vor Hochrisikospielen in den ersten drei Ligen „frühzeitig und verbindlich Kooperationsgespräche zum Ticketing“ geben soll. Die Kollegen aus den anderen Ländern schlossen sich dem Vorschlag an.
Der Auftrag an den IMK-Vorsitzenden – derzeit Klaus Bouillon (CDU) aus dem Saarland – ist klar: Er soll DFB und DFL dazu bewegen, dass sie den Vereinen vorschreiben, sich an die Empfehlungen der Polizei zu halten. Einen Termin für das Gespräch gibt es laut der Sprecherin des saarländischen Innenministeriums noch nicht. Gut möglich, dass die Aufgabe auch erst Markus Ulbig (CDU) im nächsten Jahr zukommt. 2017 wechselt der IMK-Vorsitz nach Sachsen.
Die Experten im baden-württembergischen Innenministerium sind der Ansicht, dass insbesondere personalisierte Tickets „bei bestimmten Spielkonstellationen durchaus zielführend“ sein könnten, um gewaltsame Ausschreitungen zu vermeiden.
Bei der DFL – dem Zusammenschluss der 36 Vereine aus der Ersten und Zweiten Bundesliga – will man sich auf Anfrage weder zu den Bestrebungen der Innenminister und -senatoren im Speziellen noch zu den Themen Reduzierung der Gästekarten und personalisierte Tickets im Allgemeinen äußern. Personalisierte Tickets gibt es in Deutschland bislang nur bei Strafen des DFB-Sportgerichts – als Auflage für Vereine, deren Anhänger durch schwere Krawalle aufgefallen sind.
Verhältnis zwischen Polizei und Fans könnte sich verschlechtern
Vertreter der Fans lehnen beide Maßnahmen ab. „Nicht ein einziges Spiel wird durch personalisierte Tickets sicherer“, sagt Jochen Grotepaß vom Sprecherrat der bundesweiten Interessengemeinschaft Unsere Kurve. Gleiches gelte für die Reduzierung der Gästekontingente. Es seien „einfache, populistische Forderungen“, die den Sicherheitsansprüchen der Innenpolitiker „völlig zuwider laufen“. Es sei eher das Gegenteil zu befürchten, weil die Gästefans die Tickets dann in Blöcken der neutralen Zuschauer oder gar der Heimfans kauften, sagt Grotepaß, dessen Organisation die Interessen der gemäßigteren Fans vertritt.
Auch Vertreter der vereinsunabhängigen Fan-Projekte halten es für destruktiv, die Zahl der Gästekarten bei allen Hochrisikospielen zu verringern. Die Sozialarbeiter befürchten, dass sich dadurch vor allem das ohnehin schon angespannte Klima zwischen Ultragruppierungen und der Polizei weiter verschlechtere. „Es bedarf eigentlich einer größeren Dialogbereitschaft auf beiden Seiten“, heißt es. Das gehe aber nur, wenn jetzt nicht alle Fans per se unter Generalverdacht gestellt würden: „Das ist Gift.“
Unsere-Kurve-Sprecher Grotepaß fordert „Aufklärung und Gespräche rund um die Spiele, um etwaige Provokationen im Vorfeld zu vermeiden“. Zudem seien Gespräche mit Innenpolitikern und Einsatzleitern der Polizei wichtig, um bestehende Vorurteile schrittweise abbauen zu können. Er regt an, „nicht übereinander, sondern miteinander“ zu sprechen.