Personen fühlen sich oft sicherer, wenn sie auf ihrem nach Heimweg mit jemandem telefonieren. Foto: dpa

Begleit-Apps oder ein Anruf bei den Mitarbeitern des „Heimwegtelefons“ sollen Menschen ein gutes Gefühl auf dem nach Hause-Weg bieten. Doch sind diese Angebote tatsächlich sinnvoll?

Stuttgart - Straftaten sind laut der aktuellen Kriminalstatistik für das Jahr 2018 zwar rückläufig, einige Menschen fühlen sich dennoch unsicher. Gerade nachts auf dem Heimweg steigt das mulmige Gefühl. Auch Freunde oder Familienangehörige sind häufig beunruhigt, wenn der oder die Liebste in der Dunkelheit alleine unterwegs ist. Apps und Hotlines können in diesem Fall helfen. Wir zeigen, welche es gibt.

So funktioniert die Begleit-App „WayGuard“

Bevor man seinen Weg durch die Nacht antritt, wählt man hier eingespeicherte Freunde als Begleiter aus. Sie müssen aber ebenfalls die App „WayGuard“ der Versicherungsgruppe Axa nutzen. Auf einer Karte kann so der Standort des Freundes verfolgt werden. „Etwa 40 Prozent der Nutzer entscheiden sich für diese Funktion“, sagt Pressesprecherin Anja Kroll. Alternativ kann man sich von geschulten WayGuard-Mitarbeitern begleiten lassen. Mit ihnen kann man nur schreiben oder für 15 Minuten telefonieren.

Während des Gesprächs versuchen die Mitarbeiter, eine angenehme Atmosphäre aufzubauen. Die Themen sollen vor allem ablenken. Käme es während der Begleitung zu einem Notfall, sei die Telefonzeit auf 15 Minuten nicht beschränkt, so Kroll. Im Ernstfall rufen die Mitarbeiter die Polizei oder den Krankenwagen.

Nutzer sind größtenteils weiblich

Nutzer können auch selbst einen Notruf per Button in der App auslösen. Dabei wird man zusätzlich mit den Mitarbeitern von der Versicherung verbunden. Wenn man nicht mehr sprechen kann, rufen die Mitarbeiter fünf Mal zurück. Reagiert man nicht, wird die Polizei alarmiert. Kommt man ohne Zwischenfälle an seinem Ziel an, drückt man den Button „Bin angekommen“. Alle Funktionen sind kostenlos.

Bundesweit seien mehr als 240.000 Nutzer registriert, so Knoll. Davon seien 80 Prozent weiblich und der Großteil zwischen 18 bis 35 Jahre alt. Seit 2016 habe die Versicherung bis zu 1000 Notrufe gemanagt, erklärt Knoll.

Notfallpass rette bereits ein Leben

Auch die App „Vivatar“ von Bosch kann laut Produktfeldleiter Roland Hüppmeier das Leben eines Menschen retten. So füllte ein Mann aus Baden-Württemberg den Notfallpass der App aus und gab dort an vor Kurzem eine Herzoperation gehabt zu haben. Als er sich unwohl fühlte, rief er bei den Mitarbeitern an. Er habe gesagt, dass wahrscheinlich nichts sei. Nach einer Minute verständigten die Mitarbeiter den Notruf, weil seine Stimme immer schwächer wurde. Am Ende sei er nicht mehr ansprechbar gewesen.

Einen Notfallpass können allerdings nur Nutzer der Premiumversion ausfühlen. Sie kostet pro Monat 4,99 Euro. In der kostenlosen Basisvariante kann wie bei „WayGuard“ Gruppen mit anderen Nutzern anlegen. Zusätzlich können die Kontakte mit einer automatischen Pushnachricht über den eigenen Standort informiert werden.

Fühlt man sich unsicher, kann der sogenannte Gefahrencountdown aktiviert werden. Wird dieser nach zwei Minuten nicht beendet, informiert die App automatisch einen der eigenen Kontakte. Dieser bekommt Informationen über den Standort und kann so Hilfe holen. Wer noch mehr Sicherheit sucht, dem empfiehlt Hüppmeier einen kleinen Knopf, der etwas so groß ist wie eine Ein-Euro Münze. Durch einen Doppelklick wird der Standort an Bosch übermittelt. Wird der Knopf mehr als eine Sekunde gehalten, ist der Notruf alarmiert.

Begleiten mit einem Gespräch

Eine Alternative zu den Apps ist das sogenannte „Heimwegtelefon“, das es seit 2013 gibt. Deutschlandweit sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter unter der Berliner Nummer 030/120 74182 zu erreichen. Von Sonntag bis Donnerstag jeweils von 20 bis 24 Uhr sowie Freitag und Samstag in der Zeit zwischen 22 und 24 Uhr begleiten sie die Anrufenden auf ihrem Weg durch Nacht. Die Gespräche seien laut Conny Vogt, Erste Vorsitzende des Services, sehr individuell. Sie fügt hinzu, dass das Angebot in letzter Zeit größeren Zuspruch findet. Waren es vor sechs Jahren noch zwischen 20 und 30 Anrufe am Wochenende, seien es nun genauso viele pro Tag – im Winter mehr, als im Sommer.

Männer rufen an, weil sie sich langweilen

Unter den Anrufern seien vor allem Frauen. Sie wollen sich bei einem Wechsel von Club zu Club oder nach der Arbeit begleiten lassen. Doch auch Männer sollen die Rufnummer in letzter Zeit verstärkt nutzen. „Meist rufen sie jedoch an, weil sie sich langweilen“, erläutert Vogt. Zwar werde mit ihnen telefoniert, allerdings nur solange, bis der nächste Anruf reinkommt. „Wir sind ja keine Spaßhotline“, betont Vogt.

Denn eigentlich soll sich die Hotline um Menschen kümmern, die sich unwohl fühlen. Zum Beispiel weil sie während des Heimwegs verfolgt werden. „Für diese Fälle haben wir ein zweites Telefon, um sofort die Notdienste zu alarmieren.“ An sie geben die telefonischen Begleiter die Handynummer und den Standort weiter. Währenddessen bleiben sie weiterhin am Telefon und leiten die Anrufer an einen beleuchteten Ort.

Vogt ist von diesem Konzept überzeugt und habe bereits viel positives Feedback bekommen. Denn wenn ein Krimineller bemerke, dass sein Opfer über das „Heimwegtelefon“ direkt Hilfe holen kann, werde er wahrscheinlich nicht agieren.

Aufmerksames Verhalten ersetzen die Apps nicht

Im Fall eines kriminellen Überfalls seien laut Ulrich Sauter von der Präventionsabteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart das Heimwegtelefon oder die Begleit-Apps nur begleitend sinnvoll. Die Angebote würden keinesfalls ein aufmerksames Verhalten ersetzen. „Nach wie vor muss man die Umgebung beobachten.“ Komplett verlassen, könne man sich auf die Apps nicht. Denn, wenn der Weg einmal durch ein Funkloch führe, sind sämtliche Funktionen nicht verfügbar.

Sauter rät daher, seinen nach Weg vor dem Losgehen zu planen. Dabei sollte man dunkle Ecken vermeiden. Wichtig sei zudem eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen. Falls möglich, empfiehlt Sauter, sich einer Gruppe anzuschließen. Werde man angegriffen, sei es absolut notwendig, sich laut bemerkbar zu machen. „Hier hilft es, die Menschen konkret anzusprechen: ‚Sie mit der roten Jacke – Helfen Sie mir!’“ Sonst achte niemand auf den Hilferuf. Zusätzlich solle man einen Angreifer bei einem Überfall nicht duzen. Sonst könnten umstehende Passanten davon ausgehen, es handle sich um einen Streit zwischen Bekannten. „Bei ‚Sie’ merken die anderen eher, dass ein Fremder eine Frau belästigt.“

Ein weiterer Tipp des Experten ist, bei Überfällen eine Trillerpfeife, statt Pfefferspray zu benutzen. Denn im Notfall wisse man oft nicht, wie dieses anzuwenden sei. Das könnte der Täter ausnutzen. Doch bereits bei einem unguten Gefühl, solle man die 110 wählen. „Lieber einmal zu viel anrufen, als zu wenig.“