Winfried Kretschmann erwartet im Streit um sichere Herkunftsstaaten Gegenwind aus der eigenen Partei. Foto: dpa

Noch ist alles offen beim Poker um eine Mehrheit für die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer im Bundesrat. Kanzleramtsminister Altmaier (CDU) versucht, die Länder auf Linie zu bringen. Im Südwesten schwelt der Koalitionszwist weiter.

Stuttgart - Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung hat sich bei der Ausweitung sicherer Herkunftsländer noch nicht zu einer gemeinsamen Position durchgerungen. Sie will erst in den kommenden Tagen über eine mögliche Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Staaten entscheiden. Das Kabinett habe „freie Hand“ für ihn und seinen Stellvertreter und Innenminister Thomas Strobl (CDU) beschlossen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart.

Die Nicht-Festlegung entspreche der „ungewöhnlichen“ Bitte der schwarz-roten Bundesregierung an die Länder, mit Beschlüssen zu warten, damit vor der Bundesratssitzung zum Thema am Freitag Verhandlungen noch möglich seien. Eine Entscheidung mit dem Koalitionspartner CDU im Land visieren die Grünen am Donnerstagabend oder Freitagmorgen an. Zuvor hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) angekündigt, dass es Gespräche mit allen Beteiligten geben solle - in den nächsten Tagen „und womöglich auch darüber hinaus“.

Die schwarz-rote Regierungskoalition braucht in der Länderkammer die Stimmen von mindestens drei der zehn Länder mit grüner Regierungsbeteiligung. Kretschmann sagte dazu: „Eine Mehrheit im Bundesrat zeichnet sich nach meiner Kenntnis nicht ab.“

Kretschmann erwartet Konflikte

Er ließ durchblicken, dass er eine Aufnahme der drei Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten befürworten könnte. Hilfreich würde sein, wenn besonders gefährdete Gruppen wie Homosexuelle, politische Akteure und Journalisten „nicht durch den Rost fallen“ und im Fall einer Verfolgung den Schutz des Asylrechtes erhielten. „Ich bin zuversichtlich, dass wir da Einigkeit erzielen werden“, sagte er.

Mit seinem Ja zur Ausweisung von sicheren Herkunftsländern auf dem Balkan war Kretschmann bereits Ende 2014 parteiintern angeeckt. Auch dieses Mal bläst ihm der Wind aus der eigenen Partei entgegen. Er erwarte keine Verwerfungen, aber Konflikte, räumte der Grünen-Politiker ein. Die könnten mit dem Grünen-Landesverband entstehen. Dessen Vorsitzender Oliver Hildenbrand rät seinem Frontmann von einer Aufnahme Algeriens, Tunesiens und Marokkos in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ab. „Wo Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt, verurteilt und eingesperrt werden, kann von Sicherheit keine Rede sein“, sagte er. Auch die Grüne Jugend ist gegen eine Zustimmung im Bundesrat. Die Grünen-Fraktion sieht nach Auskunft ihres Vorsitzenden Andreas Schwarz das Modell der sicheren Herkunftsländer weiterhin kritisch.

CDU-Fraktion sieht keine Hürden

Kretschmann betonte, die Lage in Nordafrika sei weitaus unklarer und prekärer als bei den Balkanstaaten. Er gab aber auch zu bedenken,dass Deutschland handlungsfähig bleiben müsse mit dem Ziel, dass diejenigen, die wirklich verfolgt seien, Asyl in Europa erhalten. „Es geht nicht nur um die verfassungsrechtliche Frage, sondern darum, Probleme zu lösen. Dazu sind wir aufgefordert.“

Aus Sicht der CDU-Fraktion existieren keine Hürden, die ein Verweigern der Zustimmung rechtfertigten. „Es geht hier um Glaubwürdigkeit und den Geist des Koalitionsvertrages“, sagte Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Sein Kollege von der FDP-Fraktion, Hans-Ulrich Rülke, mahnte Kretschmann, parteitaktischen Erwägungen zu widerstehen. Er müsse die Tage bis zur Abstimmung im Bundesrat nutzen, um bei den Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung für die Zustimmung zur Ausweitung der sicheren Herkunftsländer zu werben.